Reflexionsräume kinematographischer Ästhetik. Konvergenzen filmischer und realer Raumkonzepte in Kunstinstallationen und inszenierter Fotografie
Final Report Abstract
Die Erschließung genuiner Ausprägungen und historischer Fluchtpunkte der dislozierten filmischen Räume stand im Zentrum der drei Teilprojekte A–C. Grenzüberschreitende Fragestellungen wurden für die Schwerpunktfokussierungen in intensiver Zusammenarbeit der Projektverantwortlichen vertieft und in einer übergreifenden kunsthistorischen Perspektive auf die jüngeren Tendenzen einer kinematographischen Ästhetik in der Kunst erschlossen. In komplementären Ansätze konnten die ästhetischen Übergangsphänomene fluider Bild- und Raumverflechtungen qualifiziert werden. Zudem wurden die Freistellungen der Projektionsscreens, die architektonischen Rahmungen und die Mobilisierung der Betrachterfigur in cinematischen und narratologischen Konzepten bildräumlicher Mise-en-Scènes erörtert. Es konnte gezeigt werden, dass die post-kinematographischen Bildtechniken und -ästhetiken als Theorem und epistemologische Methode seit den 1990er Jahren auf neue Weise in Erscheinung treten. Sie nutzen das Projektionsbild in seiner gesellschaftlichen wie kulturellen Prägekraft somit nicht nur strukturell, sondern erproben vor allem seine semantische, bildkritische und phänomenologische Potentialität. Teilprojekt A widmete sich u. a. den künstlerischen Aneignungen der emphatischen Idee des Kinos sowie den ästhetisch-medialen Re-Lokalisierungen dislozierter Filmerfahrungen. Darüber hinaus fokussierte es die Transformation der Mise-en-Scène des installativen Kunstraums zu einem performativen Rezeptionsraum: durch Erfahrungen von mise en commune, sozialer Situation (ordo coexistendi) und kulturellen Aushandlungsprozessen wie auch dem Reenactment filmischer Räume als Pathosformeln revolutionärer Prozesse im Kontext globaler Krisen und politischer Umbrüche. Teilprojekt B untersuchte Schwellenmomente und liminale Räume zwischen architektonischen und filmischen Rahmungen. Zudem analysierte das Projekt, inwiefern diaphane Screens als mit der bewegten Betrachtung interferierende Membranen fungieren, die über die Projektionsarchitektur Konzepte von Alterität und Gemeinschaft thematisieren. Dabei widmete es sich in der Reflexion modernistischer Architektur nicht nur der Transparenz in ihrer Ambivalenz von Durchsicht und Kontrolle, sondern versah ebenfalls die opaken Kinoräume und die psychisch aufgeladenen Gegenwelten mit einem nachkolonialen Blick auf die Moderne. In Teilprojekt C wurde für die Fotografie und die Dia-Projektion der 1970er Jahre eine frühe, konzeptuelle Bewegung zur Inszenierung und dem Bild als (Bühnen)Raum und Schauplatz lokalisiert, die diejenige für den Modernismus konstatierte anti-theatrale und anti-narrative Tendenz konterkarierte und sich somit historisch als Impulsgeber für die kinematographische Installation erwies. Die räumlich-dispositive Anordnung jenseits einer Konkretisierung als Installation konnte dabei als ein fester Bestandteil für die beispielsweise in Rückprojektionen inszenierten Fotografien ausgemacht werden. Das Projekt richtete dabei seine Aufmerksamkeit auf den Produktionskontext sowie die Semantisierungen der Projektion und ihre Interferenzen zwischen den Medien. Die Schnittmengen der in engem Austausch entwickelten drei Projekte konzentrieren sich auf die Bestimmung der ästhetisch-medialen Übergänge bildräumlicher Konzepte zur Installationsästhetik, zu Modellräumen und Setarchitekturen, auf die phänomenotechnischen und raumgenerierenden Potentialitäten von Screens und Projektionen und auf die Wechselwirkungen zwischen Display und Dispositiv sowie deren historische Referenzen zum frühen Film, zu ästhetisch-medialen Reflexionen der Moderne und post-medialen Kunsttendenzen der 1960er, 1970er und 1980er Jahre. Für eine produktive Nutzung und Zusammenführung des recherchierten Datenmaterials und der Dokumentationen von Werkkorpi steht eine Online-Arbeits-Plattform zur Verfügung, die anders als eine Datenbank, vielschichtige Verknüpfungen ermöglicht. Dieses von den Projektmitarbeiter_innen erarbeitete Recherche- und Kooperationsinstrument vereint heterogene visuelle und textbasierte Dokumentformate, Literaturverweise, Werk- und Ausstellungsdokumentationen, Textauszüge und Künstlerdaten, die dezentral abrufbar und kombinierbar sind. Parallel diente die Website als Publikationsebene für Ankündigungen oder Glossartexte, so dass Teilresultate der Forschung auch für eine breitere interessierte Öffentlichkeit zugänglich werden. Ansätze einer Fortführung und weiteren Internationalisierung des Forschungsprojektes wurden in Kooperationen mit Wissenschaftler_innen in Amsterdam, Leiden und Wien erarbeitet und werden in geplante Antragstellungen eingehen.
Publications
- Kinematographische Räume. Installationsästhetik in Film und Kunst, München: Wilhelm Fink, 2012
Ursula Frohne/Lilian Haberer (Hg.)
- Bildprojektionen. Filmisch-fotografische Dispositive in Kunst und Architektur, Bielefeld: transcript, 2016. - 9783837617115. 324 S.
Lilian Haberer/Annette Urban (Hg.)
- Display und Dispositiv. Ästhetische Ordnungen, 1. Aufl. 2018, 691 S., 361 s/w Abb., München: Wilhelm Fink Verlag. 978-3-7705-5634-2
Ursula Frohne/Lilian Haberer/Annette Urban (Hg.)