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Established Outsiders. On reproduction and transformation of ethnographic knowledge in the current American sociology.

Subject Area Empirical Social Research
Term from 2017 to 2021
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 356769877
 
Final Report Year 2021

Final Report Abstract

In dem Forschungsprojekt wurden die sozialen Dynamiken der Reproduktion und Transformation ethnografischen Wissens in der gegenwärtigen soziologischen US-amerikanischen Ethnografielandschaft untersucht. Die Studie basiert auf teilnarrativen Interviews mit US-Vertreter_innen unterschiedlicher ethnografischer Ansätze und ihren (ehemaligen) Schüler_innen sowie auf Beobachtungsprotokollen von einschlägigen Tagungs- und Lehrkontexten in den USA. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Beobachtung der transatlantischen Ethnografierezeption als historisierend und einseitig. Die hiesige Ethografielandschaft nimmt zwar rhetorisch-legitimierend Chicago School-Bezüge vor, von gegenwärtigen Arbeiten und den sich aktuell ereignenden tiefgreifenden methodischen Debatten wiederum kaum Notiz. Das ist (auch) insofern bedauerlich, als gerade die methodologiestarke deutschsprachige Ethnografielandschaft vielversprechende Anstöße zu den gegenwärtigen Diskussionen bieten könnte. Vor diesem Hintergrund zielt das Vorhaben auf die Intensivierung und Aktualisierung des transatlantischen Ethnografieverhältnisses. Die zentralen Analyseergebnisse sind bewusst darauf ausgerichtet, diese Aktualisierung für die deutschsprachige scientific community zu leisten. Mit dieser Absicht formulieren wir erstens eine ausführliche Darstellung von Inhalten und Vertretern der stattgefundenen Binnendifferenzierung im ethnografischen Feld. Exemplarisch wird dies an der symbolträchtigen Gruppe der urban ethnographers beschrieben. Als Erben der klassisch-interaktionistischen Chicago School-Tradition müssen sie ihre einst unumstrittene Vorreiterposition nun gegenüber den deutungsmächtigen, unterschiedlich theorieakzentuierenden Soziologen Michael Burawoy und Loïc Wacquant sowie deren Schüler_innenschaft verteidigen. Zweitens wird mit dem Genre des US-amerikanischen ethnografischen Bestsellers ein materialisiertes ethnografisches Wissensprodukt untersucht, das hierzulande keine Äquivalenz hat. Die hier herausgearbeitete Dramaturgie und narrative Strategie dokumentieren wiederum besonders eindrücklich zentrale Prinzipien (auch) gegenwärtiger US-Ethnografie in ihrer speziellen Entgrenzung zum Journalismus. Drittens schlagen wir mit der sozialfigurativen Rekonzeptualisierung der Ethnograf_innen als Etablierte Außenseiter_innen eine empirisch begründete Intervention vor. Sie fügt der Selbsttypisierung der Ethnograf_innen als permanent Randständige angesichts der ausgeprägten Konsolidierungsgrades von Methode und der hochrangigen Positionierung ihrer Vertreter_innen eine Fremdtypisierung hinzu: Die Außenseiter_innen sind immer auch Etablierte. Das ist nicht allein ihrem sozialstrukturelluniversitären Elitenstatus geschuldet. Vielmehr noch liegt die Eliten-Außenseiterfigur im privilegiertem Doppelgänger_innentum begründet, das den Soziolog_innen durch ihre kompetente Mehrfachmitgliedschaft in teils maximal konträren Lebenswelten möglich ist. In der Analyse der Selbsterzählungen der Ethnograf_innen konnte darüber hinaus herausgearbeitet werden, dass eine Homologie zwischen den subjekttheoretischen Bezügen im Hinblick auf die Deutung der eigenen Lebensgeschichte und den Deutungen über die von ihnen untersuchten Feldern besteht. Die wissenschaftssoziologische Studie leistet damit einen grundlegenden Beitrag zur empirisch gestützten Reflexivität über Prozesse der Wissensproduktion in den Qualitativen Methoden.

Publications

  • (2020). "Die Chicago School ist tot, lang lebe die Chicago School!" Warum die transatlantische Ethnografierezeption einer Aktualisierung bedarf [55 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 21(3), Art. 7
    Niermann, Debora
    (See online at https://dx.doi.org/10.17169/fqs-21.3.3474)
  • (2021): Etablierte Außenseiter_innen. Zur Sozialfigur des ‚homo ethnographicus‘ in der gegenwärtigen US-amerikanischen Soziologie. Zeitschrift für Soziologie. Band 50 (1): 8-25
    Niermann, Debora
    (See online at https://doi.org/10.1515/zfsoz-2021-0003)
 
 

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