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GRK 1049: Archiv, Macht, Wissen - Organisieren, Kontrollieren, Zerstören von Wissensbeständen von der Antike bis zur Gegenwart
Fachliche Zuordnung
Geschichtswissenschaften
Förderung
Förderung von 2005 bis 2009
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 375535
Die Freigabe von Akten ist in den letzten Jahren zu einem wissenschaftspolitisch und politisch hoch brisanten Thema geworden. Einige der heftigsten Kontroversen der jüngsten Zeit, der Streit um die Wehrmacht, um das NS-Gold in der Schweiz oder um die Konstruktion von Biographien nach dem Nationalsozialismus sind durch den Blick auf neu freigegebenes und zum Teil neu interpretiertes Archivmaterial angestoßen worden. Von einigen wenigen älteren Referenzstellen abgesehen, ist jedoch der Ort der Akten und ihrer Organisation, das Archiv, erst in jüngster Zeit Reflexionsgegenstand der Wissenschaft geworden, wobei er noch selten im Mittelpunkt auch der geschichtswissenschaftlichen Diskussion stand, die sich elementar auf Archive stützt.Die gegenwärtige Präsenz des Archivbegriffs ist, jenseits der Konjunktur von Erinnerungskultur und Wissenskultur , auch bedingt durch die momentanen Verschiebungen im Charakter von Archiven, im Wechsel vom Aufbewahren zum Datenfluss, von der Lokalisierung an einem Ort zur fast beliebigen Verfügbarkeit, vom Archivieren zum Navigieren, abwechselnd beklagt als Höhepunkt der Entsinnlichung im Informationszeitalter oder gefeiert als demokratisierender, grenzenloser Datenzugang für alle. Dabei macht jedoch gerade die Problematik der gegenwärtigen Entwicklung das Archiv interessant. Die neuen digitalen Speicher, die versprachen, die vertikalen und hierarchischen Ordnungen des Wissens in eine horizontale und demokratische Form zu bringen, erwiesen sich bereits als hinfällig, was die Erhaltung und Transmission der gespeicherten Daten betraf. Einer Gesellschaft, die an den größten Gedächtnismaschinen der Geschichte arbeitet, kann durch die Dysfunktion des Speichermediums auch der Gedächtnisverlust drohen.Das Graduiertenkolleg greift dieses aktualisierte Interesse an der historischen Organisation archivierten Wissens auf und versucht, es in drei Richtungen zu erkunden: Erstens das Sammeln, Stabilisieren und Einsetzen von Archivierbarem und Archiviertem; zweitens die Prozesse des Ein- und Ausschließens, die Archivierungsprozesse steuern, also das Auswählen des Archivierten und das Kontrollieren seiner Nutzung; drittens schließlich das Missbrauchen, Zerstören und Fälschen von Archiviertem.
DFG-Verfahren
Graduiertenkollegs
Antragstellende Institution
Universität Bielefeld
Sprecherin
Professorin Dr. Martina Kessel, seit 4/2005