Konfiguration individueller und kollektiver religiöser Identitäten und ihre zivilgesellschaftlichen Potentiale. Repräsentative Befunde für Deutschland und die Schweiz im Vergleich
Religionswissenschaft und Judaistik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Zentrales Projektergebnis war die empirisch belegbare Relevanz einer religiösen Identität oder Identifizierung im Kontext anderer sozialer Identitäten. Diese konnte sich unabhängig von subjektiver Religiosität, religiöser Praxis und ebenfalls feststellbaren Säkularisierungsbewegungen halten. Damit kann der Aspekt einer Identität zwar als mit Religiosität verbunden, aber doch nicht überlappend angesehen werden. Dies ist für die religionssoziologische Forschung insoweit von Relevanz, als dass damit erste Schritte zur Erklärung einer Kirchenzugehörigkeit ohne Gottesglauben oder subjektiver Religiosität erklärt werden können. Weitere Projektergebnisse waren die Relevanz der religiösen Identität für Vorurteile sowie ihre gesellschaftlich positive Bedeutung entlang von sozialem Engagement. So zeigte sich die Verbindung einer religiösen Identität mit einem bestimmten religiösen Verständnis (exklusiv, fundamentalistisch, dogmatisch, konservativ, liberal) auch bei breiter Kontrolle anderer Faktoren als wichtig für gruppenbezogene Vorurteile und antisemitische Ressentiments. So konnte zum Beispiel eine fundamentalistisch geprägte religiöse Identität als leicht steigernd für antimuslimische und antisemitische Einstellungen ausgemacht werden, und wirkte deutlich steigernd für die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Kombinationen mit Hochreligiosität (nach Stefan Huber) und einer neu entwickelten Eigeneinschätzung der persönlichen religiösen Ausrichtung als liberal oder konservativ erweisen sich dabei als wichtige zusätzliche Erklärungsfaktoren für Vorurteile, aber auch Haltungen zu Demokratie oder antidemokratischen Positionen. So konnten mehrere Verbindungsstränge zwischen Religion und Politik aufgedeckt werden. Einen wichtigen moderierenden Faktor stellten dabei Formen zivilgesellschaftlichen oder auch religiösen Engagements dar. Kirchen und Religionsgemeinschaften sind somit wichtige Träger der Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wie Religion 'uns' trennt - und verbindet: Befunde einer Repräsentativbefragung zur gesellschaftlichen Rolle von religiösen und sozialen Identitäten in Deutschland und der Schweiz 2019. Leipzig University.
Liedhegener, Antonius; Pickel, Gert; Odermatt, Anastas; Yendell, Alexander & Jaeckel, Yvonne
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Kollektive religiöse Identitäten als Zentrum rechter Identitätspolitik? In: Ethik und Gesellschaft
Pickel, Gert
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Was bedeutet Religion für Rechtsextremismus? Empirische Befunde zu Verbindungen zwischen Religiosität, Vorurteilen und rechtsextremen Einstellungen. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik, 5(2), 557-597.
Schneider, Verena; Pickel, Gert & Öztürk, Cemal
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Polarisation and social cohesion: the ambivalent potential of religion in democratic societies. Leipzig University.
Liedhegener, Antonius; Pickel, Gert; Odermatt, Anastas; Yendell, Alexander & Jaeckel, Yvonne
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Religiöse Identitäten und Vorurteil in Deutschland und der Schweiz – Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik, 4(1), 149-196.
Pickel, Gert; Liedhegener, Antonius; Jaeckel, Yvonne; Odermatt, Anastas & Yendell, Alexander
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Herausgeforderter gesellschaftlicher Zusammenhalt. Soziale Identitäten, Religion und die Zukunft liberaler Demokratien. In: Deutsche Gesellschaft für Soziologie (Hg.): Polarized Worlds. Proceedings of the 41st Congress of the German Sociological Association 2022 (in print).
Liedhegener, Antonius; Pickel, Gert; Odermatt, Anastas & Jaeckel, Yvonne
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Gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Krise? (Religiöse) Bezugspunkte für Krisendeutungen in der Gesellschaft. In: Rochus Leonhard (Hg.): Deutungsmacht in Krisenzeiten. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 103-126. (2023)
Pickel, Gert
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Gesellschaftlicher Zusammenhalt unter Jugendlichen und in der Postadoleszenz – Empirische Befunde der politischen Kulturforschung. In: Baris Ertugrul und Ulrich Bauer (Hg.): Sozialisation und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Aufwachsen in Krisen und Konflikten. Frankfurt/Main: Campus, 177-208. (2023)
Pickel, Gert
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Gottesglaube, Gottesbild, Gottesvergessenheit – »Gott« religionssoziologisch. Evangelische Theologie, 83(5), 389-402.
Pickel, Gert
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Religion und Sozialkapital in der Schweiz. Zum eigenwilligen Zusammenhang zwischen Religiosität, Engagement und Vertrauen. Wiesbaden: Springer VS (Politik und Religion). (2023)
Odermatt, Anastas
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Religionen und religiöse Identität in pluraler Gesellschaft. Umfragedaten zu Deutschland und der Schweiz im Vergleich. In: Bernhard Anuth, Michael Droege und Stephan Dusil (Hg.): Normativität – Religion – Mobilität. Tübingen: Mohr Siebeck (Untersuchungen zu Recht und Religion (URR), 3), 147-162. (2023)
Liedhegener, Antonius
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Wer glaubt noch an Gott? Religionssoziologische Gedanken zum Gottesglauben in West- und Ostdeutschland. In: Futur2 Zeitschrift für Strategie & Entwicklung in Gesellschaft und Kirche 1/23. (2023)
Pickel, Gert
