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Heikle Fragen und soziale Erwünschtheit - Theorie und Methoden

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 387002847
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In den Sozialwissenschaften haben Umfragestudien eine hohe Bedeutung. Oft enthalten diese auch heikle oder sensitive Themen (wie beispielsweise selbstberichtete Delinquenz, Wahlverhalten, Fragen zur Gesundheit usw.), welche für Öffentlichkeit und Wissenschaft oft am spannendsten sind. Indes hat sich gezeigt, dass viele Befragte auf solche Fragen nicht wahrheitsgemäß antworten, sondern ihre Angaben in eine sozial erwünschte Richtung verzerren („Misreporting“) und die resultierenden Daten nicht valide sind. Vor diesem Hintergrund hat sich das Projekt den Fragen angenommen, wie Misreporting theoretisch erklärt werden kann und welche Designaspekte und Fragetechniken dazu beitragen können, die Datenvalidität zu erhöhen. Bezüglich der Fragetechniken stand hierbei die Item- Count-Technik (ICT) im Vordergrund. Diese nutzt statt Einzelfragen Fragelisten mit simultan zu beantworteten Items, dadurch wird die Befragungssituation für die Antwortenden vollständig anonymisiert, aggregierte Schätzungen für die Prävalenz heikler Eigenschaften sind aber dennoch möglich. Im Projekt wurden vier Online-Surveys mit verschiedenen Stichproben durchgeführt. Die Erhebungen enthielten u. a. verschiedene Varianten an heiklen/sensitiven Fragen, Survey-Experimente, in denen mehrere Designaspekte und Frageformen variiert wurden, fiktive Items und Antwortreaktionszeitmessungen. Außerdem wurde eine Meta-Analyse angefertigt, in welcher die gesamte existierende Literatur zur Wirksamkeit der ICT im Hinblick auf eine Reduktion von Misreporting ausgewertet wurde. Die Projektergebnisse zeigen, dass Misporting bzw. invalide Daten ein massives Problem sind. Dies betrifft z. B. den selbstberichteten Impfstatus im Zuge der Covid-19 Pandemie, Selbstauskünfte zu sexuellen Verhaltensweisen, aber auch sog. Pseudo-Opinions, also Meinungsäußerungen von Befragten zu Dingen, die sie gar nicht kennen: Bis zu 75 % machen Angaben zu frei erfundenen Fragegegenständen. Die ICT als Spezialfragetechnik für sensitive Items kann das Problem durchaus eindämmen (so das Ergebnis der Meta-Analyse), allerdings muss deren Zuverlässigkeit künftig noch erhöht werden. Für eine alternative Spezialfragetechnik, das sog. Crosswise-Model, welches ebenfalls die Fragesituation anonymisiert, zeigt sich hingegen, dass selbige eher das Gegenteil der intendierten Validitätserhöhung bewirkt; namentlich führt diese zu falsch-positiven Schätzern. Ein theoretisch relevantes Ergebnis des Projekts besteht darin, dass gezeigt werden konnte, dass invalide Antworten eher unbewusst-spontan entstehen denn durch ein sorgfältiges Abwägen/Nachdenken seitens der Befragten. Neben Erkenntnissen für die theoretische und methodische Grundlagenforschung im Bereich der Surveymethodologie können aus dem Projekt auch Empfehlungen für die Praxis der Umfrageforschung abgeleitet werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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