Detailseite
Projekt Druckansicht

Experimentelle und numerische Untersuchungen zur Verfestigung in Ein- und Polykristallen bei zyklischer Belastung (Bauschinger Effekt)

Fachliche Zuordnung Mechanische Eigenschaften von metallischen Werkstoffen und ihre mikrostrukturellen Ursachen
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389025087
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Lebensdauer metallischer Komponente wird häufig durch die Ermüdung der eingesetzten Werkstoffe begrenzt. Durch zyklische Belastung kommt es zu teilweise irreversiblen plastischen Verformungen, welche zu Dehnungslokalisierungen, zur Rissbildung und schließlich zum Bruch der Bauteile führen können. Um die Lebensdauer zyklisch belasteter Bauteile präzise vorherzusagen und zu verbessern, ist ein tiefgehendes Verständnis der zugrundeliegenden werkstoffmechanischen Phänomene unabdingbar. Eine zentrale Bedeutung entfällt hierbei auf den sogenannten Bauschinger-Effekt, welcher die Festigkeit eines Werkstoffes unter zyklischer Belastung bestimmt und das Werkstoffverhalten somit maßgeblich beeinflusst. Obgleich viele Aspekte der zyklischen Plastizitätsmechanismen durchaus bekannt sind und in numerischen Modellen implementiert wurden, fehlt eine belastbare, quantitative Beschreibung des Materialverhaltens auf mikromechanischer Größenskala. Zur qualitativen und quantitativen Analyse des Bauschinger-Effekts wurden in diesem Projekt verschiedene experimentelle und numerische Ansätze kombiniert. Für die numerische Untersuchung des Bauschinger-Effekts an Ein- und Polykristallen wurde ein Einkristallplastizitätsmodell mit kinematischen Verfestigungsmodellen in ein Finite-Elemente Programm implementiert und damit die Untersuchung latenter kinematischer Verfestigung auf zyklische Belastungen ausgeweitet. Für die Finite-Elemente Implementierung wurden zwei Integrationsalgorithmen entwickelt, die inkrementelle Objektivität bei Einkristallplastizität ermöglichen. In den experimentellen Untersuchungen wurde zunächst das zyklische Werkstoffverhalten an Einkristallen der Nickel-Basis Superlegierung Alloy 718 analysiert. Mikro-Biegeversuche im Rasterelektronenmikroskop haben gezeigt, dass die Verfestigung während der Biegung sowie die Reduktion der Fließgrenze nach Lastumkehr maßgeblich von der Kristallorientierung und der Anzahl der aktivierten Gleitsysteme beeinflusst werden. Die Aktivierung zusätzlicher Gleitsysteme führt zu einer erhöhten Versetzungsinteraktion und mithin stärkeren Verfestigung. Die experimentell gewonnenen Daten bilden die Basis zur Ermittlung der Werkstoffkennwerte des Einkristallplastizitätsmodells mit kinematischer Verfestigung. Die gleitsystembezogenen Werkstoffkennwerte wurden mit Optimierungsmethoden bestimmt und dabei sowohl latente als auch nicht-latente kinematische Verfestigung berücksichtigt. Die orientierungsabhängige Verfestigung aufgrund einer erhöhten Verfestigungsinteraktion konnte nur mit latenter Verfestigung beschrieben werden. Der zyklische Mikro-Biegeversuch mit Proben unterschiedlicher Kristallorientierung eignet sich sehr gut zur Bestimmung von gleitsystembezogenen Werkstoffkennwerten zur kinematischen Verfestigung. Im weiteren Verlauf des Projektes wurden die Erkenntnisse der Untersuchungen am Einkristall auf den chemisch identischen Alloy 718 Polykristall übertragen. Dabei lag der Fokus insbesondere auf den festigkeitssteigernden γ‘‘ Ausscheidungen, welche im Einkristall zu einer Erhöhung und im Polykristall zu einer Reduktion des Bauschinger-Effektes führen. Verschiedene Erklärungsansätze für diesen unterschiedlichen Einfluss wurden auf Basis lokaler Verformungsanalysen mittels Elektronenrückstreubeugung abgeleitet und diskutiert. Durch mikrostrukturbasierte Finite-Elemente Simulationen mit RVEs konnten Korrelationen zwischen den gleitsystembezogenen Kennwerten und den makroskopischen Eigenschaften identifiziert werden. Die Simulation von Mikro-Indentationsversuchen zeigt den verstärkten Bauschinger-Effekt bei Polykristallen im Vergleich zum Einkristall. Im letzten Teilprojekt wurde der Bauschinger-Effekt im austenitisch-ferritischen Duplex-Stahl untersucht, wobei insbesondere der Einfluss nanoskalierter α‘ Ausscheidungen im Rahmen der 475°C Versprödung betrachtet wurde. α‘ Ausscheidungen führen zu einer Festigkeitssteigerung der ferritischen Phase, wodurch die Verformungsinkompatibilität an Phasengrenzen erhöht wird. Die resultierenden Rückspannungen wurden als eine Hauptursache für den ansteigenden Bauschinger-Effekt mit zunehmendem Ausscheidungsgehalt identifiziert. Durch die Betrachtung der drei verschiedenen Mikrostrukturen – Einkristall, Einphasenpolykristall und Mehrphasenpolykristall - lassen sich viele Facetten des Bauschinger-Effekts aufzeigen. Die phänomenologische Erklärung der verschiedenen Einflussfaktoren und ihrer Querbeziehungen leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Plastizitätsverhalten unter zyklischer Belastung und ermöglicht die Implementierung vorhersagekräftiger Plastizitätsmodelle.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung