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mawlid-Texte aus dem 13. bis 18. Jahrhundert: Prophetenfrömmigkeit als rituelles Ereignis?
Antragstellerin
Dr. Ines Weinrich
Fachliche Zuordnung
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 389265477
Prosimetrische Narrative mit der Geburt des Propheten Muhammad im Zentrum (mawlid) entstehen ab dem späten 12. Jahrhundert. In den darauf folgenden Jahrhunderten schreiben fast alle namhaften Gelehrten mawlid-Texte. Wissenschaftlich erfasst sind bisher jedoch lediglich einige der älteren Texte im Hinblick auf ihre inhaltlichen Motive und Erzählstränge. Das geplante Projekt will mawlid-Texte nicht allein inhaltlich, sondern als literarische Texte mit ihren formalen und performativen Elementen analysieren und zum ersten Mal die in ihnen enthaltenen Gedichte mit einschließen. Zu diesem Zweck werden sieben ausgewählte Texte, deren Verbreitung und Gebrauch hinlänglich belegt ist, eingehend untersucht. Im Zentrum steht die Frage, wie weit Inhalt und Form Aufschluss über die Funktionen der Texte geben. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Identifizierung rhetorischer Mittel, die auf den kunstvollen vokalen Vortrag der Texte hinweisen. Das Projekt erfasst mawlid-Texte in drei Dimensionen, die je nach Text unterschiedlich stark in den Vordergrund treten können: als literarisches Genre, als Texte zur Vermittlung religiöser Inhalte und als Skript für rituelle Aufführung. mawlid soll als literarisches, prosimetrisches Genre untersucht werden, das Elemente aus schriftlichen wie mündlichen Traditionen verknüpft und in engem Zusammenhang mit der zeitgleich aufkommenden Prophetenlobdichtung steht. mawlid soll darüber hinaus als Text für religiöse Unterweisung analysiert werden, indem die inhaltlichen Schwerpunkte und das durch sie vermittelte Bild des Propheten identifiziert werden. Schließlich wird mawlid als rituelles Skript gelesen, dessen Rezitation der ritualisierten Erinnerung der Geburt dient. Hier stehen seine performativen Elemente im Fokus, die auf die Partizipation der Zuhörer ausgerichtet sind, wie Gebete, begleitende Körperbewegungen oder poetische Formen. Die Auswertung textimmanenter Charakteristika wird ergänzt durch die Auswertung historiographischer und juristischer Literatur: arabische und europäische Reiseberichte, arabische Chroniken sowie Rechtsgutachten und Abhandlungen zur Ritualpraxis. Daneben fließen die Resultate der Beobachtungen zeitgenössischer Aufführungspraktiken von mawlid, Prophetenlobgedichten und Gebeten ein, die im Rahmen einer Feldforschung der Antragstellerin in Syrien und Libanon 2008-2013 erfolgten.Die mawlid-Texte interagieren mit anderen literarischen Texten und mit der sich neu herausformenden Ästhetik in mamlukischer Zeit einerseits sowie mit neu entstehenden Frömmigkeitsformen andererseits. Damit soll ein Beitrag sowohl zur historischen Religionspraxis als auch zur Literaturgeschichte des 13. bis 18. Jahrhunderts geleistet werden. Die Untersuchung erfasst aber nicht allein eine historische Praxis und ihre Texte, sondern eine religiöse Praxis mit Relevanz für den heutigen gelebten Islam, welche unter dem Druck selbsternannter Sprecher eines sogenannten korrekten Islam immer stärker in die Defensive gerät.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen