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Worlding Medicine - Zur Neuverhandlung von Wissensordnungen und Körperpraktiken zwischen alternativen Heilmethoden und biomedizinischem Mainstream

Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2017 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 392750976
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt untersucht am Beispiel traditioneller Medizin in Thailand, wie medizinisches Wissen unter den Vorzeichen globaler Veränderungen in translokalen Beziehungen entsteht. In drei Fallstudien wurde erforscht, wie traditionelle Medizin (1) in den Kontext bio-medizinischer Hegemonie übersetzt und dabei (re-)konstituiert wird, (2) wie sie mobil gemacht wird und global zirkuliert sowie (3) welche neuen medizinischen Formen und Räume sie im Zuge ihrer Übersetzung in neue Kontexte hervorbringt. Mit der ethnographischen Perspektive des worlding wurde es möglich, die global zirkulierenden Wissens- und Praxisregime und die mit ihnen verbundenen Topologien der Macht empirisch aufzuspüren, die die Renaissance und Neuerfindung traditioneller Medizin in Thailand prägen. Diese kennzeichnen sich durch die Gleichzeitigkeit globaler, nationaler und lokaler Einflüsse. Dabei betreffen sie die traditionelle Kräuterheilkunde und die traditionelle Massage in verschiedener Weise. a) Im Bereich traditioneller Kräuterheilkunde räumt die Ausdehnung des Freihandels sowie des geistigen Eigentumsrechts seit den 1990er-Jahren die Möglichkeit ein, die Herstellungsweise traditioneller Arzneien patentieren zu lassen. Auf diese Bedrohung traditionellen Erbes wurde mit Gesetzen zum Schutz der traditionellen thailändischen Medizin sowie thailändischer Pflanzensorten reagiert. Dies führte dazu, dass zuvor häufig nur wenig wissenschaftlich dokumentiertes Wissen über traditionelle Medizin überhaupt erfasst und klassifiziert wurde. Um die Sicherheit traditioneller Medizin zu gewährleisten, wurde sie biomedizinisch standardisiert. All dies schuf erst die Voraussetzung für die Entstehung eines Marktes für traditionelle Arzneimittel wie es ihn heute in Thailand gibt. Dabei wurden Arzneien und die Räume ihrer Produktion radikal verändert. b) Auch die traditionelle thailändische Massage erfuhr im Zuge der Entwicklung eines national anerkannten Kanons „Traditionell Thailändischen Medizin“ (TTM) im Zeichen ihres Schutzes eine Standardisierung. Diese erlaubte die Etablierung strukturierter Ausbildung, Abschlüsse und Zertifizierungen, die eine wichtige Voraussetzung für die globale Zirkulation dieser Heilkunst darstellen. Die Renaissance der bis in die 1990er-Jahre im Niedergang begriffenen traditionellen Medizin unter den Vorzeichen globalen und nationalen Rechts bedeutet also ihre Wiedergeburt in neuer Form. Aber eine zentrale Erkenntnis dieses Projektes ist auch, dass dieses worlding traditioneller Medizin in einem transnationalen Raum bekannte Taxonomien der Biomedizin ebenso durchkreuzt wie dominante Narrative von Globalisierung (Diffraktion). Damit liefert dieses Projekt neue Erkenntnisse über die machtvollen Topologien wissenschaftlicher und technischer Wissensproduktion an den Rändern der Globalisierung und damit neue Impulse für machtsensible Wissenschafts- und Technikstudien sowie für eine relationale Gesundheitsgeographie.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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