Archaeological Survey of the area of al-Hira/Iraq
Islamic Studies, Arabian Studies, Semitic Studies
Final Report Abstract
Für die Erforschung des frühislamischen Urbanismus ist das Gebiet des heutigen Irak von maßgeblicher Bedeutung, da hier in den ersten 100 Jahren muslimischer Herrschaft eine Reihe von Städten neu gegründet wurden, die sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu politischen und kulturellen Zentren von überregionaler Bedeutung entwickelten. Da archäologische Forschungen im Irak bis vor wenigen Jahren nicht möglich waren, steht die Untersuchung dieses Prozesses noch weitgehend aus. Der zwischen 2015 und 2018 durchgeführte Survey im Gebiet des historischen al-Ḥīra belegt durch seine Ergebnisse das große Potenzial, das entsprechende Untersuchungen für die frühislamische Urbanistik und Archäologie besitzen. Durch den Survey wurden die Kenntnisse der Siedlungsgeschichte von al-Ḥīra entscheidend erweitert. Erstmals wurden großräumig Siedlungsaktivitäten in ihren Zusammenhängen evidenzbasiert belegt und detailliert dokumentiert. Dies betrifft die Lokalisierung und Ausdehnung der Siedlung, ihre räumliche Ordnung sowie die Gebäudetypologie. Für die räumliche Ordnung der Siedlung ergibt sich folgendes Bild: Das Gebiet im Zentrum des al-Najaf International Airport war locker besiedelt mit großen Solitären sowie teilweise (späterer?) Überbauung der Freiflächen. Im Nordwesten schließt sich eine Zone mit flächendeckender Bebauung an, die eine vermutlich um Innenhöfe angeordnete Wohnbebauung bilden und von unregelmäßigen Straßenverläufen erschlossen werden. Im Zentrum des Bereichs südlich des Flughafens ist eine große Anlage mit einer Umfassungsmauer zu erkennen. Innerhalb der Umfassung und in ihrer Umgebung befinden sich weitere große Baukomplexe. In den Randbereichen der dicht bebauten Gebiete finden sich Nachweise für suburbane Zonen mit handwerklichen Produktionsstätten (Keramiköfen). Die Chronologie der Siedlungsentwicklung von al-Ḥīra konnte nur mit Einschränkungen rekonstruiert werden, da stratigraphische Grabungen bislang nicht durchgeführt wurden und eine regionale Keramikchronologie fehlt. Die Auswertung der Surveyergebnisse wird folgendermaßen interpretiert: Die großen Solitäre im Zentrum des Surveygebiets werden in Verbindung gebracht mit den großen, von Freiflächen umgebenen Anlagen (quṣūr), die in den arabischen Quellen beschrieben werden. Diese Beschreibungen beziehen sich auf den Zeitpunkt der arabischen Eroberung, d.h. erste Hälfte des 7. Jahrhunderts. Die flächendeckende Besiedlung im Westen des Untersuchungsgebiets, die zusammenfällt mit dem vermehrten Auftreten von Funden, die zweifelsfrei dem 9. Jahrhundert zugewiesen werden können, wird als eine abbasidische Ausbauphase gedeutet. Die Verdichtung von Keramikfunden, die außerhalb des frühislamischen Formen- und Warenprofils liegen und im Osten des Surveygebiets sowie im Südosten verzeichnet wurden, lässt in diesem Bereich frühere, vorislamische Besiedlung vermuten. Diese Fund- und Befundverteilung wird dahingehend interpretiert, dass zwischen dem 7. und dem 9. Jahrhundert das Siedlungsgebiet von al-Ḥīra fortschreitend von Osten nach Westen ausgeweitet wurde. Das Narrativ der Siedlungsgeschichte von al-Ḥīra erfährt durch die Ergebnisse des Surveys eine entscheidende Neuorientierung. Die umfängliche abbasidenzeitliche Nachnutzung, die sich im Westen des Surveygebietes abzeichnet, belegt eine von der Forschung kaum wahrgenommene Phase in der Geschichte der Stadt. Basierend auf der Auswertung des Geländemodells konnte mit großer Wahrscheinlichkeit der 1930-31 von D. Talbot-Rice ausgegrabene ‚mound 1‘ identifiziert werden. Dies eröffnet die Aussicht, auch die anderen publizierten Altgrabungen von 1931 zu lokalisieren und die Altbefunde in eine moderne archäologische Analytik zu überführen. Folgende weiterführende Fragestellungen für zukünftige Forschungen wurden identifiziert: • Vertiefung und Detaillierung der aus dem Survey gewonnenen Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte und mutmaßlichen Mehrphasigkeit von al-Ḥīra • Entwicklung einer stratigraphisch verankerten Keramiksequenz • Überprüfung, Detaillierung und Erweiterung der im Rahmen des Surveys entwickelten Siedlungstypologie im Zusammenhang mit der Gliederung der Einzelbauten und räumlichen Ordnung der gesamten Siedlung.