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Wie verarbeiten Kinder mit Spezifischen Sprachentwicklungsstörungen (SSES) im Vergleich zu Kindern mit altersgemäßer Sprachentwicklung grammatisches Genus online beim auditiven Sprachverstehen?

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 394447853
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurden Mechanismen des sog. prädiktiven (d.h. vorhersagenden) Sprachverstehens bei 5- bis 10-jährigen Kindern mit altersgemäßer Sprachentwicklung und bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen mit Hilfe von Eye-tracking untersucht. Es ging dabei um die Frage, ob Kinder intuitives grammatisches Wissen nutzen können, um den Verlauf auditiv dargebotener sprachlicher Stimuli (Nominalphrasen und einfache transitive Aussagesätze) vorherzusagen und dadurch ein zum Satz passendes Bild besonders schnell identifizieren zu können. Konkret wurde überprüft, ob bzw. ab welchem Alter die Kinder mit und ohne Sprachentwicklungsstörung die im Deutschen bestehende Genuskongruenz, d.h. die morphologische Übereinstimmung syntaktisch zusammenhängender, aufeinander folgender Wörter, hinsichtlich ihres grammatischen Genus’ (Femininum o. Maskulinum) prädiktiv für die schnelle Erkennung des Zielbildes nutzen konnten. Das Projekt zielt darauf ab, neue und effektivere Ansätze zur Diagnostik und Intervention rezeptiver Sprachstörungen zu finden, da sich diese bisher als besonders persistent und schwer zu untersuchen erwiesen haben. Die in der Studie ermittelten Blickpfade zeigten, dass sprachlich altersgemäß entwickelte Grundschüler*innen bei der Verarbeitung von Nominalphrasen Genuskongruenz nutzen, um ein Nomen vorherzusagen. Außerdem konnte beobachtet werden, dass auch semantische Relationen zwischen aufeinanderfolgenden Wörtern von altersgemäß entwickelten Kindern prädiktiv verwendet werden. Hierbei zeigte sich, dass Kinder Hinweise aus verschiedenen Quellen (Genuskongruenz und semantische Relationen) auch integrieren, um möglichst rasch eine Annahme über den Fortgang eines sprachlichen Stimulus aufzubauen. Beim Vergleich der Altersgruppen zeigte sich, dass jüngere Kinder Genuskongruenz unsicherer nutzen als ältere Kinder und bei den jüngsten (5-jährigen) Probanden konnte noch keine prädiktive Verwendung von Genusinformationen beobachtet werden. Weiterhin wurde untersucht, ob Kinder zwischen 6 und 10 Jahren Genusunterschiede von Agens und Patiens in einfachen transitiven Sätzen nutzen, um thematische Rollen ("Wer tat was mit wem?") vorherzusagen. Die Ergebnisse der Eye-tracking Untersuchung suggerieren, dass Genusinformationen, zusammen mit Kasusinformationen, auch höhere Ebenen der grammatischen Dekodierung unterstützen können. In einer ersten Auswertung der Daten der sprachauffälligen Kinder konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass diese Kinder Genuskongruenz nur bei langsamer Sprechgeschwindigkeit für ein prädiktives Sprachverständnis nutzen. Zusammenfassend liefern die bisherigen Ergebnisse des Projekts neue Erkenntnisse zur Entwicklung prädiktiver Sprachverständnisstrategien bzw. des für die deutsche Sprachstruktur essenziellen Genussystems. Die bisherigen Analysen deuten außerdem darauf hin, dass bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen in diesem Bereich Entwicklungsdefizite vorliegen. Ein Folgeprojekt, in dem prädiktives Sprachverstehen auf der Grundlage von Genuskongruenz bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen trainiert werden soll, befindet sich derzeit in Vorbereitung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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