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Pilger, Prostitutes and "ritual seks": Heterodox Ritual Practices in the Context of the Veneration of Saints in Java

Applicant Professor Dr. Mirco Göpfert, since 8/2021
Subject Area Social and Cultural Anthropology and Ethnology
Term from 2018 to 2023
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 396640828
 
Final Report Year 2024

Final Report Abstract

Die drei Pilgerorte, die im Zentrum dieses Projektes stehen, sind gesellschaftliche Arenen der Aushandlung divergierender Wertesysteme und Moralvorstellungen; es sind Arenen, in denen die Aushandlung zwischen Tradition und Moderne, Adat und Agama auf lokalspezifische Weise erfolgt und sich Zustimmung und Widerstand in Bezug auf diese Werte abzeichnen. Dabei bringt diese Aushandlung durchaus unterschiedliche, ja widersprüchliche Ergebnisse hervor: Während die Unterdrückung der heterodoxen Praktiken am Grabmal der Roro Mendut in Gandu so erfolgreich ist, dass die Erinnerung an diese Praktiken bereits langsam verblasst, ist die Aushandlung am Gunung Kemukus aktuell in vollem Gange, während in Parang Kusumo nach wie vor eine eher ambivalente Haltung vorherrscht, insofern diese Praktiken zwar offiziell verurteilt, jedoch weitgehend geduldet werden. Das Resultat dieser Aushandlungen ergibt kein einheitliches Bild: Die heterodoxen Praktiken werden von Teilen der Gesellschaft (Bezirksregierung/Pemkap und Pesantren) bekämpft in Reaktion auf den wachsenden Zuspruch und die internationale Aufmerksamkeit, die diese Praktiken erfahren. Andere Teile der Gesellschaft (Kraton) sind angesichts der Religionisierung (der verstärkten Selbstauslegung der javanischen Gesellschaft im religiösen Idiom) in ihrer Ablehnung eher zurückhaltend. Mit dieser komplexen Gemengelage ist nur ein zeitgeschichtlicher Moment benannt, ein Pendelschlag zwischen der Konjunktur heterodoxer Praktiken und ihrer behördlichen Repression, der keine Rückschlüsse darauf zulässt, inwieweit es sich hier um irreversible Prozesse oder ephemere Phänomene handelt und – noch viel weniger – wie sich die Interaktion zwischen Adat und Agama, Tradition und Moderne auf Java in Zukunft gestaltet. Schließlich lässt die Durchsetzung einer modernen Religion spirituelle Leerstellen zurück, die von Traditionalisten erfolgreich besetzt werden. Von daher steht zu erwarten, dass heterodoxe Praktiken auf Java noch lange Zeit erhalten bleiben, selbst wenn Ritual seks mittelfristig verschwinden sollte. Die vorliegende Studie liefert jedenfalls kein Indiz für eine linear voranschreitende Islamisierung der indonesischen Gesellschaft, sondern entwirft ein komplexes Bild aus Modernisierung und Religionisierung, in dem sich die divergierenden und konvergierenden Interessen unterschiedlicher Akteure spiegeln – wie es sich für eine pluralistische Gesellschaft gehört.

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