Faschismus und Geschlecht: Visuelle Propaganda im Japan der Kriegszeit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der internationalen Faschismusforschung haben sich eine Reihe von Einzelstudien mit der Rolle von Frauen sowie mit Weiblichkeits- und Männlichkeitsvorstellungen auseinandergesetzt. Dennoch steht eine systematische Untersuchung der Rolle von Geschlecht in verschiedenen faschistischen Systemen, Bewegungen und Ideologien noch aus. Dies kann auch in einem Einzelprojekt wie „Faschismus und Geschlecht in japanischer Propaganda“ nicht geleistet werden, allerdings wurden Anstöße erarbeitet, diesem Desiderat mit dem theoretischen Ansatz Gendering Fascism zu begegnen. Das Team der Antragstellerin und ihrer Doktorandin untersuchte konkret den Einsatz von visuellen Geschlechterdarstellungen in der japanischen Propaganda. Untersuchungsgegenstände bildeten illustrierte Propagandazeitschriften, die im Zeitraum 1932 bis 1945 veröffentlicht wurden (NIPPON, FRONT, Manchuria Graph, Hokushi). Dabei wurden explizite und implizite Darstellungen von Geschlecht einer genauen Analyse unterzogen und auch die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Bildsprache in den Blick genommen. Die Analyse konnte detailliert aufzeigen, dass vergeschlechtlichte Darstellungen nicht (nur) etwas Vorgegebenes spiegeln, sondern als produktive und konstitutive Elemente in Entwürfen von faschistischer Moderne fungierten. In den Zeitschriften wurde Geschlecht als Technologie im Sinne von Teresa de Lauretis als Propagandawerkzeug repetitiv und variabel, dynamisiert und (de)stabilisierend eingesetzt. Mithilfe des Konzeptes der visuellen Grammatik, in der vergeschlechtlichte Bilder und Bildsequenzen wie grammatikalische Elemente zueinander in Beziehung stehen und Funktionen einer zwar arbiträren aber festgelegten semiotischen Ordnung erfüllen, konnte Geschlecht als wichtiger naturalisierender Faktor zur Stabilisierung von hegemonialen Ansprüchen identifiziert werden. Deutlich wurde hier auch, dass in den faschistischen (im Gegensatz zu kommunistischen) Versionen totalitärer Propaganda primär (Geschlechter-)Differenz und eine binäre Geschlechterordnung hervorgehoben, aber gleichzeitig dezidiert utilitaristische und durchaus moderne Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder propagiert wurden. Aufbauend auf diesen empirischen und theoretischen Erkenntnissen wurde zusätzlich gemeinsam mit internationalen Forschenden eine Sammlung inter- und transnationaler Fallbeispiele aus dem asiatischen, US-amerikanischen und gesamten europäischen Raum zusammengestellt und in der Zusammenschau verschiedener Faschismen durch die Linse Geschlecht deren lokal spezifische, aber auch zirkulierende und gemeinsame Formen diskutiert. Dadurch konnten zum einen transnationale und transregionale Elemente und Einflüsse aufgezeigt und damit eurozentrische Faschismus-Definitionen überwunden werden und zum anderen der Blick für die geschlechterpolitischen Ähnlichkeiten auf ideologischer, propagandistischer und organisatorischer Ebene geschärft werden.
