Wahrnehmungen von Ungleichheit durch soziale Vergleiche und deren Übertragung auf das subjektive Wohlbefinden: Eine Mikro-Studie zu Referenzgruppen
Agrarökonomie, Agrarpolitik, Agrarsoziologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ungleichheit beeinträchtigt den Zusammenhalt von Gesellschaften, gerade dort, wo struktureller Wandel stattfindet. Wer sich mit anderen vergleicht, nimmt Ungleichheit individuell und relativ zu anderen wahr. Diese Art des sozialen Vergleichs stellt die Verbindung zwischen ökonomischer Ungleichheit und subjektivem Wohlbefinden (SWB) her (Theorie der relativen Deprivation). Eine kritische methodische Schwäche in der Forschung zur relativen Deprivation ist die Verwendung exogen vorgegebener Gruppen als Referenzgruppen zur Ableitung von Einkommensvergleichen. Um diese Problematik anzugehen, hat dieses Projekt die subjektive Sicht der Individuen in den Vordergrund gerückt und durch ein innovatives Befragungsinstrument empirisch erfasst. Der sogenannte Namensgenerator, ein empirisch bewährtes Instrument aus der sozialen Netzwerkforschung, wurde zu diesem Zweck angepasst. Die so erfassten individualisierten und von den Befragten selbst definierten Referenzgruppen wurden in Relation zum SWB der Befragten gebracht und die Ergebnisse mit exogen vorgegebenen Referenzgruppen verglichen. Die Regressionsergebnisse zeigen, dass individuell definierte Referenzgruppen besser geeignet sind, das SWB zu erklären, als vom Forscher definierte (exogene) Gruppen. Darüber hinaus erlauben unsere Daten neue Einblicke in die tatsächliche Zusammensetzung von Referenzgruppen. Referenzpersonen stammen aus verschiedenen sozialen Gruppen und umfassen beispielsweise Verwandte, Kollegen, aber auch Personen aus sozialen Medien. Die Zusammensetzung von Referenzgruppen unterscheidet sich wenig entlang sozioökonomischer Merkmale. Allerdings variiert die Zusammensetzung abhängig vom Wohnort (Stadt-Land) und des Alters der Befragten. In Bezug auf Ungleichheit zeigt sich, dass eine Variable, die die individuelle Wahrnehmung der Einkommensungleichheit abbildet, das SWB etwas besser erklärt als objektive Messgrößen. Noch deutlicher zeigt sich dieser Unterschied, wenn die Diskrepanz zwischen wahrgenommener Ungleichheit und bevorzugter Ungleichheit (‚fair Inequality‘) betrachtet wird. Je fairer die Ungleichheit wahrgenommen wird, desto höher ist das SWB. Nichtsdestotrotz ergänzen sich objektive und subjektive Messgrößen in ihrem Informationsgehalt. Schließlich liefert unsere Analyse von Referenzgruppen auch Hinweise auf den oft zitierten Tunnel-Effekt: Personen, die sich nach oben - mit Personen mit höheren Einkommen - vergleichen, sehen eine Chance, ihr eigenes Einkommen zu steigern und haben daher ein höheres SWB. In unserer Analyse der Einkommensungleichheit zeigt sich der Tunnel-Effekt erst nach dem Hinzufügen von Interaktionstermen: das SWB steigt mit der Wahrnehmung größerer Ungleichheit in Wechselwirkung mit z. B. einem höheren Maß an Handlungsfähigkeit (‚Agency‘). Dies deutet darauf hin, dass der Tunnel-Effekt von individueller Heterogenität überlagert wird.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Who do we compare ourselves to? Survey evidence on reference individuals. 17th annual conference of The International Society for Quality-of-Life Studies (ISQOLS), Granada, Spain.
Jantsch, A.; Dufhues, T.; Möllers, J. & Buchenrieder, G.
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Don’t Look Up! Individual Income Comparisons and Subjective Well-Being of Students in Thailand. Journal of Happiness Studies, 24(2), 477-503.
Dufhues, Thomas; Möllers, Judith; Jantsch, Antje; Buchenrieder, Gertrud & Camfield, Laura
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Individual heterogeneity and perceptions matter: an analysis of income inequality and subjective well-being. Research Square Platform LLC.
Dufhues, Thomas; Buchenrieder, Gertrud; Möllers, Judith & Jantsch, Antje
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The COVID-19 pandemic, individual reference groups, income comparison patterns and subjective well-being. 21st annual conference of The International Society for Quality-of-Life Studies (ISQOLS), Rotterdam, Netherlands.
Jantsch, A.; Buchenrieder, G.; Dufhues, T. & Möllers, J.
