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Kognitive Neubewertung bei Jugendlichen mit Depression: von neurobiologischen Mechanismen zur Intervention

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 399482529
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Depressive Störungen sind im Jugendalter häufig und mit hoher Morbidität und Mortalität verbunden. Defizite in der Emotionsregulation sind ein wichtiger Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Depression. Eine meist adaptive Strategie der Emotionsregulation ist die kognitive Neubewertung (KN), bei der Gefühlsreaktionen durch eine Umdeutung der Situation verändert werden. Jugendliche mit Depression zeigen Schwierigkeiten, KN anzuwenden. Bislang war unerforscht, welche neurophysiologischen Prozesse mit diesen Schwierigkeiten einhergehen. Zudem war bis dato unbekannt, ob sich bei Jugendlichen mit Depression ein gezieltes Training der KN als effektiv erweist, um depressionsassoziierte Symptome zu reduzieren und Prozesse der KN zu verändern. Um diese Fragen zu beantworten, kombinierte das Projekt die Untersuchung neurophysiologischer Mechanismen der KN bei Jugendlichen mit Depression (vs. Gesunden) mit einer randomisiert-kontrollierten Studie zur Untersuchung der Effekte eines Kurzzeit-Trainings der KN. In Hauptstudie 1 wurde bei Jugendlichen mit Depression und gesunden Jugendlichen ein etabliertes Paradigma der KN eingesetzt, bei dem negative Gefühlsreaktionen auf negative Bilder reduziert werden sollten. Während der Aufgabe wurden das ereigniskorrelierte Potential „Late Positive Potential“ (LPP), Verhaltensmaße der KN sowie Augenbewegungen simultan erhoben. Zentrales Ergebnis war, dass Jugendliche mit Depression und Gesunde während der KN gleichermaßen eine Erhöhung des LPPs aufwiesen. Dies steht im Kontrast zu Studien bei Erwachsenen und könnte darauf hinweisen, dass Emotionsregulation im Jugendalter ein hohes Maß an kognitiven Ressourcen beansprucht. Auf Verhaltensebene schätzten Jugendliche mit Depression ihren Regulationserfolg geringer als Gesunde ein, was im Kontext intakter neurophysiologischer Prozesse möglicherweise eine beeinträchtigte Selbsteinschätzung widerspiegelt. In Hauptstudie 2 durchliefen Jugendliche mit Depression über vier Sitzungen hinweg ein aufgabenbasiertes Training der KN oder ein Kontrolltraining. Primäre Endpunkte umfassten Rumination, Stress und Affektmaße. Zudem wurden das LPP, Verhaltensmaße und Augenbewegungen während aller Sitzungen simultan erhoben. Während sich keine signifikanten differentiellen Effekte des Trainings auf primäre Endpunkte fanden, zeigte sich nur nach dem KN-Training ein Rückgang der Rumination von kleiner bis mittlerer Effektstärke. Auch wenn es weiterer Studien bedarf, liefert die Studie erste Hinweise, dass ein KN-Training ein vielversprechender Ansatz sein könnte, um Rumination bei Jugendlichen mit Depression zu reduzieren. Ein weiteres wichtiges Ergebnis war, dass die KN-Gruppe zu Beginn des Trainings - nicht aber in den späteren Sitzungen - eine Erhöhung des LPPs während der KN aufwies. Dies könnte darauf hinweisen, dass kognitive Anstrengung im Verlauf des KN-Trainings erfolgreich reduziert wurde. Die Projektergebnisse tragen zu einem verbesserten Verständnis der Emotionsregulation bei Jugendlichen mit Depression bei. Zudem liefert das Projekt wichtige erste Erkenntnisse zur Effektivität eines Trainings der KN, welches auf lange Sicht als „Add-on“ die Wirksamkeit etablierter Interventionsansätze verbessern könnte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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