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Effekte von negativer Stimmung und systemischer Entzündung auf die viszerale Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 401215228
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Viszerale Schmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzformen und Behandlungsanlässen in der Medizin. Zur Erklärung insbesondere von chronischen viszeralen Schmerzen wird angenommen, dass hierbei sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren ursächlich sind. Ziel dieser Studie war es, das Zusammenwirken von systemischen Entzündungsprozessen und negativer (depressionsähnlicher) Stimmung als zwei möglichen Risikofaktoren für eine erhöhte viszerale Schmerzsensitivität zu untersuchen. Entzündungen und negative Stimmung treten bei Patient:innen häufig gemeinsam (komorbid) auf, jedoch sind mögliche interaktive Effekte auf die Schmerzsensitivität bei Patient:innen oftmals nicht eindeutig nachvollziehbar. Aufbauend auf frühere Arbeiten unserer Gruppe haben wir daher bei gesunden Proband:innen unter kontrollierten laborexperimentellen Bedingungen eine systemische Entzündungsreaktion sowie eine negative Stimmung induziert, um so ein Zusammenwirken dieser Faktoren auf die viszerale Schmerzsensitivität und die Verarbeitung schmerzassoziierter Reize mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) zu untersuchen. Mit dem Modell der experimentellen Endotoxämie wurde an einem von zwei Versuchstagen eine geringgradige systemische Entzündungsreaktion ausgelöst, die nach wenigen Stunden wieder abklingt. An einem zweiten Versuchstag erfolgte eine Kontrollbedingung, in der die Proband:innen eine wirkstofffreie Kochsalzlösung erhielten. An beiden Versuchstagen, die in einer randomisierten Reihenfolge stattfanden, wurde jeweils einmal eine negative (traurige), einmal eine neutrale Stimmung durch eine Kombination von Musik und selbstwertbezogenen Aussagen herbeigeführt (sogenanntes modifiziertes Velten-Paradigma). An beiden Studientagen wurde direkt nach der negativen bzw. neutralen Stimmungsinduktion eine Schmerzmessung durchgeführt, bei der viszerale Schmerzreize im Hinblick auf ihre Unangenehmheit durch die Proband:innen bewertet wurden. Weiterhin wurde die Aktivierung in schmerzassoziierten Hirnregionen während der Präsentation eines optischen Signals, das die Schmerzreize ankündigte, sowie während der Schmerzreize mittels fMRT gemessen. An beiden Studientagen wurden regelmäßig Blutparameter und das Befinden der Probanden erfasst, um die Entzündungsreaktion zu charakterisieren. Im Ergebnis zeigte sich, dass die systemische Entzündungsreaktion erfolgreich induziert werden konnte, erkennbar durch eine signifikante Zunahme von Entzündungsparametern im Blutplasma im Vergleich zur Kontrollbedingung. Die negative Stimmungsinduktion führte im Vergleich zur neutralen Stimmungsinduktion zu einer gedrückten, traurigen Stimmung während der Schmerzexperimente. In der Versuchsbedingung, in der die systemische Entzündungsreaktion und die negative Stimmung kombiniert waren, wurden die viszeralen Schmerzreize (obwohl von identischer Intensität wie in den anderen Bedingungen) als signifikant unangenehmer bewertet. Bereits bei der Ankündigung der Schmerzreize, in Reaktion auf das optische Signal, war eine verstärkte Aktivierung im Nucleus caudatus beobachtbar. Für diese Hirnregion wurde bereits in früheren Studie gezeigt, dass sie an Erwartungsprozessen (Noceboeffekten) im Kontext unangenehmer Symptome beteiligt ist. Die Aktivierung im Nucleus caudatus war in dieser Studie mit einer verstärkten subjektiven Unangenehmheit der Schmerzreize assoziiert. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass durch das gemeinsame Auftreten von systemischen Entzündungsprozessen und negativer Stimmung eine erhöhte Sensitivität gegenüber viszeralen Reizen insbesondere im Hinblick auf die affektiv-emotionale Komponente von Schmerz besteht. Dies könnte im Zusammenhang mit einer veränderten antizipativen Schmerzverarbeitung unter Beteiligung des Nucleus caudatus erklärbar sein und einen Nocebomechanismus darstellen.

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