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Alles Top-Down? Einfluss von Kognition und Kategorisierung auf interozeptive Sensitivität und Bias bei Krankheitsangst

Antragstellerin Dr. Anna Pohl
Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 403266317
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zur optimalen Bewältigung aller Anforderungen befindet sich unser Körper in einem ständigen Veränderungsprozess. Dafür müssen äußere und innere Reize effizient verarbeitet werden. Die bewusste und unbewusste Verarbeitung aller körpereigenen Signale bezeichnet man als Interozeption. Aktuellen Modellvorstellungen nach ist Interozeption ein konstruktiver Prozess. Aus einem Abgleich von in unseren Gehirnen gebildeten Vorhersagen über unsere Körpersignale und den aus dem Körper an das Gehirn gesendeten Signalen selbst, entstehen laut Predictive Coding Theorie auch unsere bewussten Wahrnehmungen von Körperempfindungen und Symptomen. Diese simulationsbasierte Arbeitsweise ist besonders schnell und damit effizient. Unter Umständen kann unsere bewusste Wahrnehmung jedoch von aktuellen Körpersignalen entkoppelt sein und eher den Vorhersagen unseres Gehirns entsprechen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Körpersignale uneindeutig sind und den Vorhersagen eine hohe Wahrscheinlichkeit zugerechnet wird. Symptome können demnach wahrgenommen werden, wenn unser Gehirn annimmt, dass sie in spezifischen Kontexten auftreten. Im vorliegenden Projekt haben wir die Beeinflussbarkeit von Körperwahrnehmung im Zusammenhang mit Krankheitsängsten untersucht. Dafür haben wir verschiedene Experimente zur Tast-, Atem- und Herzschlagwahrnehmung erfolgreich getestet und (weiter-)entwickelt. Dabei wurde die Genauigkeit der Wahrnehmung von Antwortverzerrungen getrennt erfasst. Im Rahmen der Antwortverzerrungen wird eine abwartende Haltung von der Tendenz Körperempfindungen eher zu bejahen unterschieden (Sicher-ist-Sicher-Strategie). Ein unbewusst auf Bedrohung ausgerichtetes liberales Entscheidungskriterium im Sinne einer „Sicher ist Sicher“-Strategie wird als möglicher Risikofaktor für Krankheitsängste und Körperstressstörungen gehandelt. In einer Studie des Projekts führte eine negative Erwartungshaltung über die Schädlichkeit von W-Lan Bestrahlung in einem Experiment zur Tastwahrnehmung tatsächlich zu mehr illusorischen Körperempfindungen. Wenn Personen fälschlicher Weise annahmen einem starken elektromagnetischem Feld ausgesetzt zu sein, wurde die Verarbeitung von Tastreizen an der Wahrnehmungsschwelle liberaler. Während die Tastempfindung bei multisensorischer Integration bei Patient:innen mit Krankheitsängsten im Vergleich zu Teilnehmenden ohne Krankheitsängsten leicht stieg, sank sie tendenziell etwas stärker bei zeitgleicher Verarbeitung krankheitsrelevanter (versus neutraler) Worte. Eine kontextuell oder affektiv-motivational verringerte Wahrnehmung könnte die Verzerrung von Körperempfindungen weiter verstärken. Schließlich wiesen Patient:innen auch Antwortverzerrungen auf, wenn interozeptive Empfindungen der Atmung arbiträr in Kategorien gruppiert wurden. Bei der Umsetzung des Projekts wurde deutlich, dass eine valide Erfassung von Interozeption weiterhin eine große Herausforderung darstellt. Zukünftig sollte deshalb weiter wissenschaftlich an einer einheitlichen Definition, Nomenklatur und Operationalisierung von Interozeption über verschiedene Körperdomänen hinweg gearbeitet werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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