Wahrnehmungs- und Wirkungsformen der Oper, Berlin ca. 1815–1828
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Am Beispiel Berlins der 1810er- und 1820er-Jahre wurde mit dem Projekt ein Beitrag geleistet zu einem differenzierteren und vertieften Blick auf die Opernpflege, das Musikleben und den Musikmarkt im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unter Einbezug und stärkerer Vernetzung einer Reihe bislang vernachlässigter Aspekte: • einer präzisen empirischen Erfassung der vielfältigen Repertoiregestalt und Spielpläne der Theater inklusive exakter Aufführungszahlen und -daten sowie der jeweiligen Besetzungen; • der produktionsstrukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen; • eines besonderen Fokus auf Rezeption und Wahrnehmung, Publikumsstrukturen und die Frage nach bestimmten Erwartungshaltungen, Rezeptionsmustern und Popularitätsmomenten; • der Relevanz von performativen und theatralen Elementen wie der gesanglichen Zurschaustellung und Beliebtheit einzelner Gesangs-Stars, schauspielerischer Belange, Bühnenbilder und Szenerien, Kostümierungen, Theatereffekten etc.; • der Rezeption und Wirkung von Opernmusik jenseits der Bühne im Konzertbetrieb sowie den verschiedenen Bereichen der damaligen musikalischen Freizeit- und Vergnügungskultur (in Wirtshäusern, Vereinen und Privattheatergesellschaften, in Gärten und auf Plätzen, bei Ballveranstaltungen, in Panoramen, Mechanischen Theatern und bei artistischen Darbietungen, in Salons und „Gesellschaften“, bei verschiedenen Formen des häuslichen Musizierens etc.). Ein spezielles Augenmerk galt hierbei insbesondere der bisher kaum beachteten Verlagsproduktion und dem Musikalienhandel mit seinen vielfältigen Bearbeitungs- und Einrichtungsformen von Opernderivaten für unterschiedlichste Instrumente und Besetzungen vom Klavierauszug über Favorit-Stücke, Potpourris und Variationen bis hin zu Opern-Tänzen. Mit dem Anliegen einer multiperspektivischen und mehrdimensionalen Herangehensweise konnte das vielschichtige Phänomen Musiktheater so in seinen komplexen Wechselverhältnissen zwischen kompositions- und produktionsästhetischen, institutionellen und kulturpolitischen wie speziell den publikumsbezogenen, wahrnehmungs- und rezeptionsgeschichtlichen Dimensionen weiter aufgearbeitet werden. Während zur Erfassung und Auswertung der Spielpläne eine detaillierte Repertoire- und Aufführungsdatenbank „Oper in Berlin 1810–1830“ aufgebaut wurde, widmeten sich monographische Spezialuntersuchungen der Berliner Repertoirepolitik und den vielfältigen Rezeptionsformen in und außerhalb der Theater sowie dem Berliner Musikalienmarkt mit seinen opernbezogenen Verlagserzeugnissen. Zudem entstanden weitere exemplarische Fallstudien in Aufsatzform. Eine große internationale Tagung aus Anlass der 200. Jahrestage der Uraufführungen von Carl Maria von Webers Freischütz und Gaspare Spontinis deutscher Fassung der Olympia im Mai/Juni 1821 leuchtete die Thematik weiter aus.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Prestige, Probleme, Polarisierung. Spontini als preußischer Generalmusikdirektor zwischen institutioneller Verortung und öffentlicher Wahrnehmung, in: Von Spontini bis Strauss. Hofkapelle und Hofoper Berlin im langen 19. Jahrhundert, hg. v. Detlef Giese, Christian Schaper und Arne Stollberg, Würzburg: Königshausen & Neumann 2022 (Klangfiguren. Studien zur Historischen Musikwissenschaft, 7), ISBN: 978-3-8260-7219-2, S. 97–136
Fabian Kolb
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Über die Deutsche comische Oper. Lexikon Schriften über Musik, 690-696. Bärenreiter-Verlag.
Reichardt, Johann Friedrich
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Die Berliner Fassungen von Gaspare Spontinis Fernand Cortez, in: Gaspare Spontini: The Berlin Years, hg. v. Fabian Kolb und Alessandro Lattanzi, Lucca: Libreria Musicale Italiana 2023 (Studi e Saggi, 54), ISBN: 978-8-8554-3192-7, S. 109– 166
Klaus Pietschmann
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Diffusion des Populären. Zum Wahrnehmungsspektrum von Beethoven und Rossini in der musikalischen Alltagskultur des 19. Jahrhunderts, in: Beethoven und Rossini in ihrer Epoche. Kontexte – Komposition – Aufführung – Rezeption, hg. v. Arnold Jacobshagen, Beate Angelika Kraus und Christine Siegert, Bonn: Verlag Beethoven- Haus [2023] (Schriften zur Beethoven-Forschung, 33)
Fabian Kolb
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Gaspare Spontini: The Berlin Years, Lucca: Libreria Musicale Italiana 2023 (Studi e Saggi, 54), X+296 Seiten, ISBN: 978-8-8554- 3192-7
Fabian Kolb & Alessandro Lattanzi
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Rossini und Artaria: Die Wiener Verlagsproduktion zwischen hausmusikalischer Rezeption, lokaler Verortung und Exklusivansprüchen, in: Rossini in Wien 1822, hg. v. Reto Müller, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag [2023] (Schriftenreihe der Deutschen Rossini-Gesellschaft, 12)
Fabian Kolb
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Wahrnehmungsperspektiven und Popularitätsfaktoren der Oper in Berlin um 1830: Das Beispiel der Agnes von Hohenstaufen, in: Gaspare Spontini: The Berlin Years, hg. v. Fabian Kolb und Alessandro Lattanzi, Lucca: Libreria Musicale Italiana 2023 (Studi e Saggi, 54), ISBN: 978-8-8554-3192-7, S. 167–199
Fabian Kolb
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Zwischen Olympia und Freischütz. Oper in Berlin im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts: Repertoire – Realisierung – Rezeption, Tagungsbericht 2022, Würzburg: Königshausen & Neumann [2023], ca. 380 Seiten
Fabian Kolb
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„Diesem vertrackten Spontini“. Einblicke in das Berliner Opernleben, die Repertoiregestaltung und die Rolle Gaspare Spontinis, in: Gaspare Spontini: The Berlin Years, hg. v. Fabian Kolb und Alessandro Lattanzi, Lucca: Libreria Musicale Italiana 2023 (Studi e Saggi, 54), ISBN: 978-8-8554-3192-7, S. 25–65
Jasmin Seib
