Seelen und Yerba ernten: Franziskaner und Jesuiten als Wirtschaftsexperten im transatlantischen Verflechtungsraum (1535-1750)

Antragsteller Dr. Philip Knäble
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 404385263
 

Projektbeschreibung

In Folge von Max Webers prominenter These vom Zusammenhang von Protestantismus und Kapitalismus bilden die Niederlande und England die bevorzugten Untersuchungsräume der frühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte. Das Forschungsprojekt richtet den Fokus dagegen auf katholische Geistliche und Laienbrüder aus dem Franziskaner- und Jesuitenorden im spanischen Imperium. Im Zentrum steht die Frage, wie es ihnen in wirtschaftlichen Praktiken gelang, ökonomisches Wissen zu erwerben und sich in sozialen Interaktionen als Experten eines ökonomischen Sonderwissens zu inszenieren. Die frühneuzeitliche Wirtschaftsgeschichte, so die These, lässt sich ohne den Einfluss katholischer Geistlicher nicht hinreichend erfassen, da sie die zeitgenössischen Semantiken, Institutionen und Praktiken des Ökonomischen über die Konfession hinaus entscheidend prägten.Das Projekt untersucht dafür im Verflechtungsraum des Atlantiks die Akteure und Praktiken zwischen Spanien und den Kolonialstädten und Missionen in der Ordensprovinz „Paraguay“ im heutigen Nordargentinien, Paraguay, Uruguay und Südbrasilien von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 18. Jhs. Da die spanische Krone die Kolonien ab 1675 für nicht-spanische Jesuiten öffnete – gut 20% der Missionare und Laienbrüder kamen künftig aus Deutschland und Österreich – wird auch ihre Ausbildung und ihr transnationales Wirken bis um 1750 in den Blick genommen. Die bereits gut erforschte Endphase der Jesuitenmission, die mit der Ausweisung der Jesuiten 1767 endete, wird dagegen ausgeklammert.Um die Missionierung indigener Gruppen zu erreichen, um „Seelen ernten zu können“, sahen die Orden die Einrichtung von wirtschaftlich selbstständigen Kollegien und Missionen vor, was durch den Handel mit Schlachtvieh, Maultieren und Yerba – Hauptzutat des Grundnahrungsmittels Mate-Tee – mit den urbanen Zentren des Andenraums erreicht werden sollte. Das ökonomische Wissen und die wirtschaftlichen Praktiken der Ordensmitglieder werden in vergleichender Perspektive auf drei miteinander verschränkten Ebenen untersucht. Erstens verfassten die Orden für die Seelsorge sowohl in Spanien („Schule von Salamanca“) als auch in den Kolonien pragmatisch orientiertes Schriftgut, deren Diskussion von wirtschaftlichen Problemen wichtige ökonomische Semantiken schuf, auf die noch Adam Smith zurückgriff. Zweitens verlangte die weltweite Organisation der Orden administrative Kompetenzen, wofür die Orden bestehende Verwaltungs- und Buchhaltungstechniken weiterentwickelten. Drittens eigneten sich die Ordensmitglieder in der Praxis handwerkliches und merkantiles Wissen an bzw. rekrutierten die Orden gezielt über dieses Wissen verfügende Mitglieder aus Europa. Das Projekt versteht sich als Teil einer neuen Wirtschaftskulturgeschichte insofern auch als Beitrag zur seit der globalen Finanzkrise geführten gesellschaftspolitischen Diskussion um das Verständnis von Ökonomie und die Rolle ökonomischer Akteure, insbesondere der Legitimation von Wirtschaftsexperten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen