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Erinnerungslandschaften des kollektiven Leidens: Naturkatastrophen und Erinnerung im gegenwärtigen China

Antragstellerinnen / Antragsteller Dr. Rui Kunze; Professor Dr. Marc Andre Matten
Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung seit 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 404534127
 
Seit den 2010er Jahren lassen sich zunehmende Eingriffe der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in die chinesische Kulturindustrie beobachten, die auf Kontrolle und Zensur der Interpretation der Vergangenheit sowie die Disziplinierung von Affekten und Emotionen im öffentlichen Raum abzielen. Die koexistierenden Meistererzählungen von Modernisierung und Revolution werden an der Schnittstelle zwischen den persönlichen Erfahrungen des/der partizipativen KonsumentIn und den vorherrschenden historischen Diskursen von Patriotismus und Fortschritt reproduziert. Wie kann aber die KPCh die "dunklen Erinnerungen" an Katastrophen in ihre Erfolgsgeschichte einbinden? Die bisherige Forschung zu dark memories hat sich auf die politische Gewalt und die sozialen Umwälzungen im China des 20. Jahrhunderts konzentriert. Ausgehend von der Bedeutung der Kontrolle der Natur und der Lösung ökologischer Probleme für die politische Legitimität der KPCh untersucht das Projekt, wie Naturkatastrophen und das daraus resultierende menschliche Leid in einem dynamischen und diachronen Prozess der Erinnerungsbildung unter sich verändernden politischen, sozialen und technologischen Bedingungen benannt und erzählt werden. Das Projekt verbindet die Methoden der historischen Diskursanalyse mit denen der Medien- und Literaturwissenschaft und fragt nach den sozialen und politischen Dynamiken und Kontingenzen bei der Erinnerung an Naturkatastrophen. Im Fokus stehen zwei Fallstudien zu touristischen Orten als Erinnerungsräume: 1) Naturtourismus am historischen Ort des Deichbruchs in Huayuankou im Juni 1938, der zur Überschwemmung des Gelben Flusses (1938-1947) führte; 2) dark tourism an den Epizentren der beiden Erdbeben von Tangshan (1976) und Wenchuan (2008). Wir setzen uns mit der Idee einer monolithischen offiziellen Geschichtsschreibung von Naturkatastrophen auseinander und untersuchen das Zusammenspiel von Akteuren, die Erinnerung schaffen, die sich verändernden Landschaften touristischer Stätten, sowie Gedenkmedien und die Rolle öffentlicher Affektregulierung. Das Projekt wird einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der sozialen und politischen Implikationen der Erinnerung an Naturkatastrophen leisten. Es wird die Bereiche Erinnerungsforschung und Affekttheorie mit Fallstudien aus dem heutigen China bereichern. Es reiht sich zudem in das interdisziplinäre Feld der Katastrophenforschung ein, die Naturkatastrophen als geschichtsbildende Ereignisse betrachtet, deren soziale, politische und affektive Auswirkungen Generationen überdauern können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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