Politiken der Idylle
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Netzwerk „Politiken der Idylle“ entwickelte ein Modell, die literarische Gattung der Idylle mit der literaturwissenschaftlichen Kategorie des Verfahrens zu beschreiben. In diesem Rahmen wird die Idylle nicht, wie meist üblich, von den Aspekten der Statik und Geschlossenheit her gedacht, sondern in ihrer Produktivität und Performativität: Texte stellen nicht einfach idyllische Welten dar, sondern sie stellen sie her. Dies wird in Idyllen selbst reflektiert, etwa indem sie die Ein- und Ausschlüsse innerhalb ihres Raums thematisieren, harmonische Konfigurationen als Ergebnis eines prekären Ausbalancierens von Differenzen erkennbar machen oder prinzipiell die eigene textuelle Inszenierungsleistung offenlegen. Am Einsatz der Verfahren des ‚Idyllisierens‘ kann die Funktion von Idyllen im jeweiligen kulturellen Kontext erschlossen werden. So können beispielsweise Verfahren des Ein- und Ausschließens sowohl zur Inszenierung eines geschützten Gegenentwurfs zu bestehenden Machtverhältnissen eingesetzt werden, als auch mit der Exklusivität des idyllischen Raums Machtasymmetrien bestätigen. Dies beschränkt sich nicht auf Texte und idyllische Entwürfe in anderen Medien. Ein verfahrenslogisches Konzept von Idylle ermöglicht ebenso die Beschreibung sozialer Räume und Konzepte, deren irgendwie ‚idyllische‘ Erscheinungsweise damit über den vage assoziativen Bereich hinaus analytisch fruchtbar gemacht werden kann. Das kann die Gartenentwürfe und Freundschaftsnetzwerke der Aufklärung ebenso betreffen wie ökologische Diskurse, Nationalparks oder nationale Ursprungsnarrative. In dieser Hinsicht ging es dem Netzwerk um eine kulturwissenschaftliche Erweiterung des entwickelten Idyllenkonzepts. Der jeweilige Einsatz idyllisierender Verfahren, ihre soziokulturellen Anschlüsse und Adaptionen sowie die damit zusammenhängenden ‚Politiken‘ der Idylle – d.h. ihr Zusammenhang mit politischen Konfigurationen und die Konstellation, in die sich ein Text als Idylle zu anderen Texten und Kontexten setzt – wurden innerhalb des Netzwerks anhand von Fallstudien auf Workshops und Tagungen diskutiert sowie im Rahmen eines Handbuchs für den Gebrauch in Studium und Forschung operationalisiert. Sowohl die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse als auch die des Handbuchs werden – so steht zu hoffen – dazu beitragen, nicht nur die spezifische Forschung zur Idylle zu erweitern, sondern sie auch aus dem Nischendasein, das sie von ihrem Gegenstand zu erben scheint, herauszuführen, indem gerade das Vorurteil von der irrelevanten Nischenexistenz der Idylle revidiert wird. Möglich wird dies nicht zuletzt durch die Entwicklung eines Idyllenkonzepts, das auf eine methodisch reflektierte analytische Anwendbarkeit und Übertragbarkeit abzielt und so über die spezifische Forschung zur literarischen Gattung der Idylle hinaus Anschlüsse an andere Disziplinen erlaubt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Paradigmen des Idyllischen.
Jablonski, Nils & Nitzke, Solvejg (Eds.)
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Handbuch Idylle. J.B. Metzler.
Gerstner, Jan; Heller, Jakob C. & Schmitt, Christian (Eds.)
