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Gestenerwerb: Überprüfung der Social Negotiation-Hypothese
Antragsteller
Jacques Prieur, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Evolution, Anthropologie
Evolution, Anthropologie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 407023904
Ein artvergleichender Forschungsansatz, welcher den flexiblen Gebrauch und die Bedeutung kommunikativer Signale unserer nächsten Verwandten untersucht, kann zum Verständnis der der bei der Sprachevolution beteiligten Prozesse beitragen. Evolutionäre Szenarien, die einen gestischen Ursprung menschlicher Sprache annehmen, betonen zum Beispiel die Bedeutung phylogenetischer sowie ontogenetischer Ritualisierung und/oder der Weitergabe durch soziales Lernen als wichtige Mechanismen im Zusammenhang mit dem Entstehen eines komplexen Kommunikationsrepertoires. Neuere Forschungsergebnisse zur gestischen Entwicklung bei Schimpansenjungtieren zweier im Freiland lebener Gruppen zeigten jedoch, dass keiner der bisher vorgeschlagenen Hypothesen zum Gestenerwerb die Variabilität und Flexibilität ihrer gestischen Interaktionen erklärt. Es wurde daher eine überarbeitete Social Negotiation Hypothese vorgeschlagen, welche Gesten als das Ergebnis eines sozialen Formungsprozesses darstellt, welcher das geteilte Verstehen der Bedeutung von Gesten und einer unmittelbaren Bedeutungskonstruktion in der Interaktion annimt. Diese Hypothese wurde jedoch noch nicht getestet und vor allem die mögliche Rolle minimaler Unterschiede in der Gestenform für die jeweilige Bedeutungskonstruktion nicht berücksicht. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob sich die Mechanismen des Gestenerwerbs bei Schimpansen von denen anderer Primatenarten unterscheiden, welche in kleineren, stabileren Gruppen mit weniger Individuen und eher berechenbaren sozialen Interaktionen leben. Das geplante Projekt will diese Fragen beantworten und drei in Gefangenschaft lebende Gorillagruppen (N=35) untersuchen. Ziel ist es, die Social Negotiation Hypothese zu überprüfen, in dem untersucht werden soll, inwieweit die Gestenproduktion der Gorillas, speziell die Gestenanzahl und Häufigkeit des Gestengebrauchs sowie die Gestenform durch verschiedene soziale Faktoren beeinflusst wird. Konkret sollen zwei Fragen untersucht werden:(1) Welche Rolle spielen Verwandte und enge soziale Partner (z.B. Mutter, Vater, Geschwister, nicht verwandte Gruppenmitglieder) beim Gestenerwerb und der Entwicklung der gestischen Kommunikation von Gorillajungtieren, speziell für die Form der gezeigten Gesten und ihres Gebrauchs in Interaktionen mit anderen? Variiert zum Beispiel die Form einer Geste eines bestimmten Gestentyps in Abhängigkeit vom Kontext und Interaktionspartner? (2) Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es im Gestengebrauch und der Reaktion auf diese zwischen den Gorillagruppen? Können diese durch den Einfluss verschiedener Faktoren wie Alter, Geschlecht, Verwandtschaft und Rangbeziehungen erklärt werden? Um diese Fragen zu beantworten, soll ein längsschnittliches Design angewendet und etablierte Beobachtungs- sowie Auswertungsmethoden bereits existierender Studien herangezogen werden. Dieses Projekt wird wichtige Erkenntisse über den Gestenerwerb bei Gorillas und der zugrundeliegenden Mechanismen liefern.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
