Kinetik elektrischer Doppelschichten an dielektrischen Plasma-Festkörper Grenzflächen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt entwickelte erste Schritte zur mikroskopischen Beschreibung der grundlegendsten Konsequenz der Wechselwirkung eines Festkörpers mit einem Plasma: der Ausbildung einer elektrischen Doppelschicht aufgrund der Nettoanhäufung von Elektronen im Festkörper durch Elektroneneinfang und dem Entzug von Elektronen durch Neutralisation positiver Ionen an der Plasma-Festkörper Grenzfläche. Die negative, festkörperbasierte Ladung ist die Ursache der Plasmarandschicht, der Elektronenverarmungszone vor der Grenzfläche, die seit Beginn der Plasmaphysik untersucht wird. Die Physik der Ladungen im Festkörper (Wandladung) ist jedoch eine terra incognita. Wenig ist darüber bekannt, wie der Plasmaverlust in der Wand, der für dielektrische Wände über Elektron-Loch Rekombination erfolgen muss, vonstattengeht. Um Einsichten in diesen Prozeß zu gewinnen, entwickelten wir eine kinetische Theorie fur den Ladungstransport über Plasma-Festkörper Grenzflächen. Sie basiert auf Boltzmann Gleichungen für die Elektronen und Ionen des Plasmas sowie der Leitungsbandelektronen und Valenzbandlöcher des Dielektrikums, der Poisson Gleichung für die elektrische potentielle Energie und Anschluß- bzw. Randbedingungen für diese Größen an der Grenzfläche bzw. hinreichend weit entfernt von ihr. Im Festkörper erleiden Ladungsträger Kollisionen, im Plasma hingegen werden sie als kollisionsfrei angenommen, wobei die Plasmaerzeugung durch die selbstkonsistente Kopplung der Plasmarandschicht an ein feldfreies und ladungsneutrales Plasma emuliert wird. Wegen der Begrenztheit der Rechenresourcen konnten wir nicht die volle Bandstruktur des Dielektrikums und auch nicht alle Stoßprozesse berücksichtigen. Für Modelldielektrikas ließ sich jedoch zeigen, dass die Mikrophysik des Festkörpers die elektrische Antwort der Grenzfläche beeinflusst. Für eine stromlose Grenzfläche untersuchten wir speziell das Zusammenspiel von Plasmaproduktion im Plasma und Plasmaverlust im Dielektrikum durch nichtstrahlende Elektron-Loch Rekombination. Wir zeigten dabei auch einen Weg auf, der die drei Selbstkonsistenzschleifen dieses speziellen Transportproblems (eine für die Verteilungsfunktionen, eine für die elektrische potentielle Energie, und eine für die Einbettungsparameter), numerisch zur Konvergenz bringt. Die Modellierung einer stromführenden Grenzfläche zeigte, dass weit vom thermischen Gleichgewicht entfernte Ladungsträger für den Ladungstransport im Festkörper verantwortlich sind. Wir konnten auch zeigen, dass Reflexion an der Potentialstufe der Grenzfläche sowie Rückstreuung aus dem Inneren des Dielektrikums zu einer Strom-Spannungscharakteristik führt, die stark von der einer perfekt absorbierenden Grenzfläche abweicht. Schließlich schlugen wir vor, das Dielektrikum als optisches Element zu benutzen und die Wandladung mittels Infrarotreflektionsspektroskopie zu messen. Wir berechneten die Antwort der Wandladung auf das elektrische Feld des Infrarotlichts, daraus die Korrektur zur Fresnel Reflektivität der Dielektrikum-Plasma Grenzfläche und schließlich die ladungsin-duzierte /Änderung der Transmissivität des optischen Elementes. Dabei ließ sich verifizieren, dass die Änderung proportional zur Wandladung ist und zu einem detektierbaren Signal führt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Electron microphysics at plasma–solid interfaces. Journal of Applied Physics, 128(18).
Bronold, F. X.; Rasek, K. & Fehske, H.
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Kinetic modeling of the electric double layer at a dielectric plasma-solid interface. Physical Review E, 102(2).
Rasek, K.; Bronold, F. X. & Fehske, H.
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Infrared spectroscopy of surface charges in plasma-facing dielectrics. Physical Review E, 104(1).
Rasek, K.; Bronold, F. X. & Fehske, H.
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Charge kinetics across a negatively biased semiconducting plasma-solid interface. Physical Review E, 105(4).
Rasek, K.; Bronold, F. X. & Fehske, H.
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Kinetic modeling and infrared spectroscopy of charge carriers across the plasma-wall interface (PhD thesis, Universität Greifswald 2022)
Kristopher Rasek
