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Praktiken des Neo-Osmanismus in Kunst und Kunstwissenschaft: Medien der Sakralisierung zwischen anachronistischer Affirmation und Subversion

Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung seit 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 322729370
 
Das vorliegende Forschungsprojekt nimmt seinen Ausgangspunkt in den aktuell vieldiskutierten staatlichen Vereinnahmungen osmanischer Kulturtraditionen, die als Gegenpol zu jenen im ersten Projektteil untersuchten künstlerischen Positionen wahrgenommen werden müssen, die seit den 1980er Jahren das säkulare Dispositiv des kemalistischen Staates aufgekündigt haben. Während in der ersten Projektpha-se die künstlerische Reklamierung spezifischer lokaler türkisch-islamischer Kulturtradition gegen den universalistisch-säkularen Diskurs der Gegenwartskunst eine kritische Vergegenwärtigung von pluralen Geschichtskonzepten intendierte, soll der Fokus nun stärker auch jene aktuellen Formen der Re-Osmanisierung einbeziehen, die von staatlicher Seite eine gegenläufige, affirmative Strategie verfolgen. Einen konkreten Anhaltspunkt liefert die von Recep Tayyip Erdoğan 2020 angeordnete Umwandlung der Hagia Sophia vom kemalistischen Museum zur Moschee, aber auch dessen verstärkte Anstrengung, den von privater unternehmerischer Seite organisierten internationalen Biennalen der Gegenwartskunst mit der Istanbuler Yeditepe-Biennale für „klassische türkische Kunst“ seit 2018 einen Gegenpol zu liefern. Mit Schwerpunkten auf den materiellen Traditionen des islamisch geprägten Kunsthandwerks sowie einer neuen Funktionalisierung byzantinischer und osmanischer Denkmäler, verfolgt die aktuelle Kulturpolitik, so die These, eine anachronistische Identitätskampagne, deren Akteure gerade die Aufhebung ambiger Wahrnehmungen mit der Proklamation kultureller Exklusion und Vereindeutigung zu erreichen suchen. Die Fortführung des vorliegenden Projektes in den anachronistischen Gegenwartsdiskurs des Neo-Osmanismus liefert darüber hinaus den Anlass, zum einen erweiterte künstlerische Positionen, aber auch nochmals eigens vertieft diejenigen sakralen Medien und Räume in den Blick zu nehmen, die jenseits des kemalistischen musealen Diskurses derzeit politische Relevanz erlangen. Einen er-weiterten Ausgangspunkt soll nun auch die Diskussion „islamischer“ Kunstgeschichte erhalten. Begleitet von jüngsten methodischen Ansätzen zu einer spezifisch islamisch-sakralen Phänomenologie (Shaw 2019) soll vertieft die prägende Rolle westlicher Kunsthistoriker*innen für die popularisierte Erfassung von osmanisch-türkischer Sakralarchitektur (Hamam) sowie weiterer Medien des Sakralen, insbesondere der Kalligraphie, untersucht werden, um damit nach deren Vorläuferrolle für Erdoğans affirmative Religionspolitik zu fragen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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