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‚Neophytes‘, ‚renegados‘,‚creoles‘: Dynamiken der (Dis-)Ambiguierung in nordamerikanischen Diskussionen des Wandels vom Kolonialismus zur Nationalstaatlichkeit

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 322729370
 
Drei Denkfiguren - verdichtet in der Rede über indigenen und afrikanischen Neophyten, Renegaten und Kreolen - begleiten den Wandel vom Kolonialismus zur Nationalstaatlichkeit in Nordamerika. Diese Denkfiguren fordern die Vorstellung heraus, der Umbruch zur Nationalstaatlichkeit könne als ein Wechsel von der kolonialen Ambiguität zur nationalen Disambiguierung beschrieben werden. Mindestens bis zum neunzehnten Jahrhundert blieb Nordamerika ein global wirkmächtiges Zentrum für Prozesse der Transkulturation und der stützenden Verfahren der sprachlichen, religiösen, kulturellen und ethnischen Übersetzungen und Übertragungen. Gesten der Identifikation und der Differenzierung gingen in der frühen Moderne als epistemologische Übungen zusammen mit programmatischen Repertoires der Ungewissheit und der Unlesbarkeit. Die in diesen Kontexten beobachteten Spannungen zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Zugehörigkeit und der Unterscheidung sind konstitutiv für den textuellen und visuellen Ausdruck konkurrierenden Systeme der kolonialen, imperialen und nationalen politischen und kulturellen Selbstbeschreibung. Die zu untersuchenden Figurationen wirken in einer ontologischen ‚Grauzone' zwischen kulturellen, politischen, und religiösen Zugehörigkeiten. Das Projekt adressiert textuelle Phänomene durch das Prisma der Ambiguität, wobei der Begriff des Ambiguierten die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass vor allem Erzählungen über und nicht von Neophyten, Renegaten und Kreolen überliefert sind. Die Gegenwart einer Erzählinstanz blockiert hier die Möglichkeit der Selbstbeschreibung. Sie marginalisiert die Figuren im erzählten Geschehen und beschreibt sie aus der Außenperspektive. Die analytischen Termini der Ambiguierung und der Disambiguierung betonen Fragen der Akteursrolle und fokussieren auf die Wahrnehmung und die Darstellung von Subjekten, welche nicht den Identitätskategorien der Erzählinstanz entsprechen. Die Figurationen verändern ihre Bedeutung im Laufe des Transfers über Ozeane, Jahrhunderte und geographische Räume hinweg. Um der Fluidität der Bedeutungskonstitution gerecht zu werden, befassen wir uns mit Deklinationen als methodologische Annäherung an die Mutationen und die Anpassungen, die erfolgen, sobald Wörter wie 'Konvertit', 'Renegat' oder 'Kreole' durch Raum und Zeit reisen. Der geographische Rahmen der Untersuchung ist in der Wahl des Primärmaterials interamerikanisch und transatlantisch (d.h. es geht um Dokumente, die in französischer, spanischer, englischer, niederländischer und deutscher Sprache erschienen). Die zeitliche Dimension ist dezidiert transhistorisch (zu den frühesten untersuchten Texten gehört Alvar Nuñez Cabeza de Vacas La Relation, 1573; George Washington Cable's The Grandissimes, 1880, ist der jüngste Primärtext). Dieser weit gefasste Rahmen ermöglicht ein vergleichendes Studium exemplarischer kultureller Transfers zwischen benachbarten kolonialen, nationalen und imperialen Systemen und ihren Ausdrucksökonomien.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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