Ist „glauben“ ein universales Vermögen? Zur Möglichkeit des Glaubensvollzugs bei von Geburt an starker kognitiver Beeinträchtigung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt widmete sich der Frage, ob und wenn ja, inwiefern Menschen mit schwerst kognitiver Beeinträchtigung das Vermögen ausbilden zu können, zu glauben. Denn Glaube setzt neben einer emotionalen Komponente des Vertrauens auch eine kognitive Dimension im Blick auf die Überzeugungen voraus, die geglaubt werden. Wenn diese Dimension aber beeinträchtigt ist, ist zu fragen, wie Glaube in seinen beiden Dimensionen vollzogen werden kann. Das Projekt verknüpfte anthropologische und religionsphilosophische Reflexionen mit Überlegungen aus dem Bereich der disability studies. Die Annahme, dass über eine vorreflexive Bewusstseinstheorie und leibphänomenologische Ansätze sowie über intuitive Erkenntnisformen sowie über die Kennzeichnung des Glaubens als Vertrauen auf der Ebene von faith diese Möglichkeit zu begründen ist, bestätigte sich nicht, vielmehr sind hier Aporien insofern zu konstatieren, als stets eine inhaltliche Bestimmung des Glaubens in irgendeiner Art und Weise vorausgesetzt werden muss, die aber gerade bei schwerst kognitiv beeinträchtigten Personen nicht möglich ist, weil sie sich anders als etwa in vorreflexiven Theorien behauptet nicht unmittelbar einstellt. Die Rechtfertigung der Überzeugung, dass auch schwerst kognitiv beeinträchtige Personen Subjekte des Glaubens sind, ist daher nur durch einen Perspektivwechsel zu erreichen, der u. a. auf Anerkennungspraxen rekurriert, in denen vulnerable Personen unabhängig von ihren Vermögen in ihrem Subjektstatus anerkannt und geachtet werden, und in denen sie im Horizont religiöser Lebensdeutung in ihrer Gottbildlichkeit gewürdigt und entsprechen in religiöse Praxen einbezogen werden wie Segenshandlungen und Gebete.
