Optimiertes Taumelfräsen zur Steigerung der Prozesseffizienz und Bearbeitungsqualität bei der FVK-Bearbeitung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Beim optimierten Taumelfräsen erfolgt die Bohrungsherstellung über zwei Prozessschritte. Zunächst wird auf Bohrungssolldurchmesser vorgebohrt und nach dem Einschwenken in einem zweiten Schritt gefräst, um die finale zylindrische Bohrung zu erhalten. Durch die geringen Spanungsdicken an der Oberseite und eine Werkzeugauslegung, die die Bearbeitungskräfte ins Bauteilinnere richtet, lässt sich die Schädigung im Vergleich zum konventionellen Bohren deutlich verringert. Zeitgleich kann mit einem Werkzeug eine erhöhte Bohrungsdurchmesservielfalt hergestellt werden, wobei der minimale Bohrungsdurchmesser als Prozessgrenze mit Abhängigkeit von Materialstärke, Konuswinkel und Werkzeugspitzendurchmesser beachtet werden muss. Im Transferprojekt Taumelfräsen wurde ein umfangreiches und tiefgehendes Prozessverständnis gewonnen. Mithilfe der simulativen Auswertung von lokalen Prozesskenngrößen konnten Material-, Prozess- und Werkzeugeinfluss eingehend untersucht und deren Auswirkungen auf die Bohrungsqualitäten festgestellt werden. Die entwickelte kinematische Durchdringungsrechnung kann weiterhin für die Prozessanalysen und Werkzeugauslegungen für schädigungsminimale FVK-Bearbeitungen genutzt werden und durch den modularen Aufbau aufwandsminimal erweitert werden. Alternative Strategien wie das Vorbohren mittels einer Helix zu ersetzten und das Taumeln selbst mit einer Zirkularbahn zu überlagern können daher weiter analysiert und getestet werden. Diese Strategie könnte mit einem Werkzeug nach oben hin unbegrenzte Bohrungsdurchmesser ermöglichen. Das Werkzeug könnte mit offener Fräserstirn ausgeführt werden, was mehr Freiheit in der Auswahl der Schneiden mit sich bringt. Durch ergänzende experimentelle Analysen konnte festgestellt werden, dass kleinere Konuswinkel nicht nur aufgrund ihres flexibleren Einsatzes, sondern auch aufgrund der geringeren Schädigungen sowohl für den Bohrungsprozess als auch für das Fräsen zu bevorzugen sind. Es konnte festgestellt werden, dass die Bearbeitungskräfte durch einen konstanten Drall sinken und damit zu einer geringeren Belastung der Werkzeuge führen. Die durch das Vorbohren erreichbaren minimalen Spanungsdicken an den Oberseiten der Bohrung lassen einen höheren Drall zu als es bei zylindrischen Werkzeugen schädigungsfrei möglich wäre. Die Prozessführung mit Spanungsdicken, die am oberen Bohrungsrad gegen Null gehen, bietet damit aktuell das höchste Potenzial für die schädigungsarme Bearbeitung. Mittels des datenbasierten Kraftmodells über den Thin-Plate-Regressionsansatz konnte die lokale Übertragbarkeit auf beliebige räumliche Eingriffsbedingungen gezeigt werden. Der funktionsbasierte Ansatz zeigt sich aufgrund der komplexen Zusammenhänge und wirkenden Trennmechanismen als noch nicht zielführend. Eine mechanismenbasierte und damit semi-empirische Kraftmodellierung sollte dennoch weiterverfolgt werden, um auch über die verwendeten Parameterbereiche hinaus zuverlässige Kraftprognosen treffen zu können. Auch hinsichtlich einer Erweiterung um verschleißbasierte Kraftveränderung ist der Ansatz als sinnvoll zu bewerten. Abschließend konnte mit der finalen Werkzeuggeometrie mit einem Konuswinkel von 15° und einem Drall von 30° gezeigt werden, dass mit angepasster Prozessstrategie die Bohrungsqualitäten sowohl an der Kante als auch an der Oberfläche deutlich verbessert werden können. Auch wenn eine Anwendung mit einem Fräsroboter aufgrund der geringen Maßhaltigkeit aktuell noch keine Alternative darstellt, kann mit dem optimierten Taumelfräsprozess und den Freiheitsgraden ein Flexibilitäts- und Qualitätsvorteil gegenüber konventioneller Bohrungsbearbeitung geboten werden. Als wesentliches Anwendungsfeld sind hier Großkunden der Firma Gühring aus dem Bereich der Luft- und Raumfahrt zu sehen, bei denen die Werkstücke entsprechend kostenintensiv sind und die Bearbeitungsqualität einen hohen Stellenwert besitzt. Zudem erfordert das Bearbeitungsverfahren eine gemeinsame Entwicklung von Prozess und Werkzeug, was sich bei den ausreichend hohen Stückzahlen in diesem Anwendungsfeld lohnt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Taumelfräsen – Innovative 5-Achs-Bearbeitung von CFK-Strukturbohrungen “, Innovationsforum Präzisionswerkzeuge, 06.November 2020.
Boehland, F; Gauggel, C.; Gräf, D.; Gusenko, M.; Klose, J. & Schulze, V.
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A new approach for local cutting force modeling enabling the transfer between different milling conditions and tool geometries. Procedia CIRP, 102, 138-143.
Hilligardt, Andreas; Böhland, Felicitas; Klose, Jan; Gerstenmeyer, Michael & Schulze, Volker
