(A)Symmetrien und Bewegung in Laut- und Gebärdensprachen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Eine der faszinierendsten Eigenschaften der linearen Organisation von Sätzen in natürlichen Sprachen ist das Auftreten bestimmter Asymmetrien. Eine gut belegte und in der Forschung schon seit längerem intensiv diskutierte Asymmetrie, die in vielen Sprachen zu beobachten ist, ist die Dominanz von specifier-initialen Abfolgen (z.B. Subjekt-Verb-Abfolgen) gegenüber specifierfinalen Abfolgen (z. B. Verb-Subjekt-Abfolgen). Diese Asymmetrie wirft die Frage auf, inwieweit die zugrundeliegende Satzstruktur und das generative System selbst (a)symmetrisch sind. In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung (mindestens) zwei gegensätzliche Ansichten zur (A)Symmetrie der zugrundeliegenden syntaktischen Struktur hervorgebracht. Der "symmetrische" Ansatz argumentiert einerseits, dass die Grammatik grundlegend symmetrisch ist und sowohl specifier-finale- als auch specifier-initiale Abfolgen (sowie kopf-finale und kopf-initiale Abfolgen) generiert. Folgt man diesem Ansatz, dann müsste man die klare Präferenz für specifier-initiale Abfolgen aus einem generellen Verbot von Rechtsbewegung oder aus extra-grammatischen Prinzipien (z.B. für die Satzverarbeitung) ableiten. Der entgegengesetzte "asymmetrische" Ansatz geht andererseits davon aus, dass alle Phrasen grundlegend in einer Specifier-Kopf-Komplement- Abfolge linearisiert werden. Diesem Ansatz zufolge werden Oberflächenabfolgen, die von diesem Schema abweichen, mithilfe einer Reihe von Bewegungen abgeleitet. Beide Ansätze sind mit zahlreichen empirischen Problemen konfrontiert. Zudem bleibt die grundlegende Frage, ob die Grammatik grundsätzlich symmetrisch oder asymmetrisch ist, unbeantwortet. Das vorliegende Projekt erweitert die empirische Perspektive und verbindet dabei gut untersuchte Phänomene in Lautsprachen mit bisher nur vergleichsweise wenig untersuchten Phänomenen in Gebärdensprachen. Zum einen werden bekannte Links-Rechts-Asymmetrien in gesprochenen Sprachen (und die damit einhergehende Frage, ob sie sich aus einem Verbot von Rechtsbewegung oder aus anderen Beschränkungen ableiten lassen) überprüft. Zum anderen werden Links-Rechts-Asymmetrien in Gebärdensprachen untersucht, da Gebärdensprachen bestimmte Asymmetrien aufzuweisen scheinen, die so in gesprochenen Sprachen nicht nachgewiesen wurden. Das übergeordnete Ziel ist es, festzustellen, inwieweit die in diesen beiden Bereichen untersuchten Phänomene Belege für ein generelles grammatik-externes Verbot von Rechtsbewegung als Ursache für syntaktische Links-Rechts-Asymmetrien liefern und inwieweit grammatik-externe Faktoren wie Satzverarbeitung und Modalität (Laut- vs. Gebärdensprache) diese (A)Symmetrien bedingen. Die Ergebnisse des ersten Projektbereichs zeigen, dass bereits beobachtete Links-Rechts-Asymmetrien, wie z.B. die Final-Over-Final-Bedingung, in der Tat durch ein Verbot von Rechtsbewegung erklärt werden können, und dass dieses Verbot strikt zu verstehen ist, d.h. dass nicht einmal die Bewegung von benachbarten (Kopf-)Strängen erlaubt ist. Auch die Tatsache, dass lineare Asymmetrien in erster Linie durch das Verbot von Rechtsbewegung und nicht durch andere strukturelle syntaktische Asymmetrien entstehen, wurde weiter untermauert, z.B. durch die Untersuchung von Wortstellungen im Kakchiquel. Die Ergebnisse der neuen empirischen Studien zur Indischen Gebärdensprache (ISL), die im zweiten Projektbereich durchgeführt wurden, bestätigen die bisherigen Beobachtungen, dass die satzfinale Position die natürliche Position für wh-Gebärden ist. Basierend auf neuen Daten, die während der Feldforschung erhoben wurden, lässt sich die Linearisierung in wh-Interrogativsätzen in der ISL mit Analysen, die für wh-Interrogativsätze in der Italienischen Gebärdensprache vorgeschlagen wurden, ableiten. Diese Analysen basieren auf Rechtsbewegung der wh-Gebärde. Demnach werden in unmarkierten wh-Interrogativsätzen alle wh-Gebärden (Subjekt oder Objekt) in die satzfinale Position bewegt. Um wh-Doubling in wh-Interrogativsätzen zu erklären, geht die Analyse davon aus, dass der Satz zwei vollständige Kopien der wh-Gebärde enthält. Eine Kopie wird nach rechts in WhP bewegt, die andere Kopie nach links in den Specifier von FocP.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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"Affirming and Rejecting Assertions in German Sign Language (DGS)." In Proceedings of Sinn und Bedeutung 24, 1–19.
Loos, C. & S. Repp, M. Steinbach
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Exploring wh-questions in Indian Sign Language. FEAST. Formal and Experimental Advances in Sign language Theory, 3, 30-42.
Kulshreshtha, Neha
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Differential object marking in sign languages?. Angles of Object Agreement, 209-240. Oxford University PressOxford.
Steinbach, Markus
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FOFC and what left–right asymmetries may tell us about syntactic structure building. Journal of Linguistics, 59(1), 179–213.
Zeijlstra, Hedde
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“Rethinking Remerge: Merge, Movement and Music.” In A. Barany, Th. Biberauer, J. Douglas and S. Vikner (eds.), Syntactic Architecture and its Consequences. Vol. I: Syntax Inside the Grammar. Berlin: Language Science Press, 571–598.
Zeijlstra, H.
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“VSO-VOS Alternations in Kaqchikel.” In M. Janebová, J. Emonds & L. Veselovská (eds.), Language Use and Linguistic Structure. Olomouc: Palacký University. 224-243.
Tvica, S.
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Rich Agreement and Verb Movement. The Wiley Blackwell Companion to Morphology, 1-43. Wiley.
Koeneman, Olaf; Tvica, Seid & Zeijlstra, Hedde
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Why artichokes and palms don’t grow on trees – the grammaticalization of question particles from co-speech gesture in sign language. From Formal Linguistic Theory to the Art of Historical Editions, 81-104. V&R unipress.
Steinbach, Markus; Coniglio, Marco & Paul, Katharina
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Two Varieties of Korean: Rightward Head Movement or Polarity Sensitivity? Linguistic Inquiry, 55(3), 622–641.
Zeijlstra, Hedde
