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Die Rechtsvielfalt des frühneuzeitlichen Papsttums. Die Gerichte der päpstlichen Nuntien im portugiesischen Reich und in der Republik von Venedig (1650-1750)
Antragsteller
Dr. Marco Cavarzere
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 416417562
Das Projekt untersucht die transkulturellen Funktionen der päpstlichen Jurisdiktion durch eine mikroanalytische Untersuchung der Nuntiaturgerichte und will damit zu einer Neukonzeption der politischen Rolle des Papsttums in der Frühen Neuzeit beitragen. Zum einen zielt das Vorhaben darauf ab, zu zeigen, dass das Papsttum bis den aufgeklärten Reformen des späten achtzehnten Jahrhunderts wichtige Rechtsprechungsaufgabe über strafrechtliche und zivilrechtliche Fälle durch die Nuntiaturgerichte in den katholischen Staaten und in ihren kolonialen Territorien übernahm. Entgegen der Meinung, dass das Papsttum im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts alle seine Vorrechte an die europäischen Monarchien übertragen hatte, attestiert die vielfältige Tätigkeit der Nuntiaturgerichte, dass päpstliche Jurisdiktion nicht nur in ganz Europa, sondern auch in den außereuropäischen Kolonien unmittelbar durch lokale Einrichtungen ausgeübt wurde. Zum anderen will das Projekt demonstrieren, dass die Rechtsprechung des Papsttums sowohl auf vielschichtigen Vereinbarungen mit politischen Mächten und anderen Komponenten der katholischen Kirche (Orden, Bischöfe, usw.) als auch auf der aktiven Teilnahme von verschiedenen historischen Akteuren basierte. In dieser Perspektive zeigt sich das Papsttum als eine der wenigen frühneuzeitlichen Institutionen, die sich weltweit mit verschiedenen Kulturen und disparaten Rechtstraditionen auseinandersetzen konnte. Um diese Ziele zu erreichen, konzentriert sich das Vorhaben auf die vergleichende Analyse der Gerichtsbarkeit der Nuntien von Venedig und von Portugal. Zwei Hypothesen liegen dieser komparativen Untersuchung zugrunde. Erstens wird die Studie dieser zwei Tribunalen die These überprüfen, dass das Papsttum trotz der staatlichen Patronatsrechte seine Autorität von Brasilien durch verschiedene europäische Territorien bis Indien durchsetzen konnte. Zweitens beabsichtigt die Analyse von Venedig und Portugal, auch die stark dezentralisierte Struktur der Nuntiaturgerichte zu beleuchten. Weil die Tribunale in der Regel von lokalen Richtern geleitet wurden und ausschließlich als Appellationsinstanz fungierten, die nur durch die Klagen und Suppliken von Appellanten ihre Tätigkeit aufnahmen, entwickelten sich die Nuntiaturgerichte zu wichtigen Orten sozialer und politischer Aushandlungen, wo sich spezifische Aneignungsprozesse im Bezug auf die kirchliche Normativität entfalteten. Daher wird das Projekt zeigen, dass diese päpstlichen Gerichte auch der nicht-europäischen Bevölkerung einen gewissen Spielraum boten, ihre Rechte einzuklagen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen