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Die Neubestimmung des episodischen Gedächtnisses in seinen natürlichen Grenzen: Die Rolle von nicht-perzeptuellen Faktoren für das Erinnern
Antragsteller
Professor Dr. Markus Werning
Fachliche Zuordnung
Theoretische Philosophie
Förderung
Förderung seit 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 397530566
Unter episodischem Gedächtnis versteht man traditionell die Erinnerung an sinnlich erlebte Ereignisse der eigenen Vergangenheit. Halluzinationen und Träume, Erfahrungsschilderungen Anderer oder sogar narrative Erfahrungen mit Literatur können jedoch zu Erinnerungen führen, die Eigenschaften aufweisen, die als Kennzeichen des episodischen Gedächtnisses gelten, wie Lebendigkeit, Sequenzialität und eine Erste-Person-Perspektive. Unser Projekt argumentiert daher, die Grenzen des episodischen Gedächtnisses als eine natürliche Art neu zu definieren. Wir verfolgen einen naturalistischen Ansatz, der die neurobiologischen Merkmale wahrnehmungsbasierter und bestimmter nicht-wahrnehmungsbasierter Erinnerungen vergleicht. Diese Merkmale sind: (F1) ein erfahrungsähnliche Gehirnzustand, der die Erinnerung begründet; (F2) der Mechanismus, der ein Szenario des erinnerten Ereignisses konstruiert und den immersiven, sensomotorischen und emotionalen Charakter der ursprünglichen Erfahrung widerspiegelt; und (F3) die minimale Gedächtnisspur, die als angemessene kausale Verbindung zwischen dem erfahrungsähnlichen Gehirnzustand und dem erinnerten Ereignis fungiert und die Verlässlichkeit und Spezifität der Erinnerung gewährleistet. Der Vergleich dieser Merkmale wirft Herausforderungen auf, die wir in fünf Arbeitspaketen angehen. In WP1 prüfen wir die Gründe für eine Erweiterung der natürlichen Art des episodischen Gedächtnisses, um Fälle einzubeziehen, die nicht auf persönlichen, wahrnehmungsbezogenen Erfahrungen beruhen. Wir verstehen eine natürliche Art als die maximale Klasse, deren Mitglieder ihre Eigenschaften mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund eines einheitlichen zugrunde liegenden kausalen Mechanismus teilen. WP2 befasst sich mit der Herausforderung der Faktizität bei auf nicht-veridischen Erfahrungen basierenden Erinnerungen. Wir entwickeln eine präsuppositionelle Erklärung der Faktizität und erklären Referenz in episodischen Erinnerungen durch referentiellen Parasitismus. WP3 soll klären, wie wahrnehmungsbasierte und nicht-wahrnehmungsbasierte Erfahrungen trotz ihrer phänomenologischen Unterschiede durch ähnliche Mechanismen in minimale Gedächtnisspuren einfließen. In WP4 klären wir, wie bei nicht wahrnehmungsbasierten Erinnerungen der Begriff der Gedächtnisperspektive neu bewertet werden muss, indem wir die Selbst- von der Erste-Person-Perspektive unterscheiden. WP5 begreift das Erinnern als eine immersive, sensomotorische und emotionale Szenariokonstruktion, die durch eine minimale Spur informiert und durch semantische Informationen ergänzt wird, im Gegensatz zu bildhaften Ansichten, die den Inhalt episodischen Gedächtnisses als einen sensorischen auffassen. Unsere Ergebnisse betreffen die Beziehung zwischen Gedächtnis und Imagination. Sofern die natürliche Art des episodischen Gedächtnisses erweitert werden muss, wird sich dies auf wissenschaftliche Studien und klinische Interventionen auswirken, die das episodische Gedächtnis betreffen.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen