Wer rastet, der rostet? Residentielle Mobilität von ethnischen Minderheiten in Deutschland und die Konsequenzen für Wohlergehen (WELLMOB)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Diese Studie hatte das Ziel, die Konsequenzen residentieller Mobilität für das subjektive Wohlbefinden (SBW) von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu untersuchen. Mit steigender lntegration und sozialer Aufwärtsmobilität nimmt tendenziell auch das Bedürfnis zu, in suburbanen Mittelschichtsnachbarschaften zu wohnen und ein Eigenheim zu besitzen. Gleichzeitig legt die bisherige Forschung nahe, dass die Einbettung in eine lokale ethnisch-religiöse Gemeinschaft einen wichtigen Grundpfeiler für das Wohlbefinden von Menschen mit Migrationshintergrund darstellt. Aus diesem Grund untersuchten wir Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden zwischen Menschen mit Migrationshintergrund, die in suburbanen Mittelschichtsnachbarschaften wohnen und jenen, die in ethnisch-religiösen Gemeinschaften leben. Um potentielle Unterschiede im subjektiven Wohlbefinden zu erklären, haben wir das grundlegende Modell subjektiven Wohlbefindens und seiner sozialen Determinanten um drei Typen von Nachbarschaftsqualitäten (generelle Nachbarschaftsressourcen, Ressourcen der ethnisch-religiösen Gemeinschaft und Diskriminierung) erweitert, die insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund relevant sind. Wir haben dazu Analysen mit dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) durchgeführt und diese Daten mit neu gesammelten Daten zu ethnisch-religiösen lnfrastrukturen (Gebetstätten, Vereine und Lebensmittelgeschäfte) basierend auf Postleitzahlen der Befragten kombiniert. Ein erster wichtiger methodischer Beitrag unseres Projekts ist die umfangreiche Datenbank mit lnfrastrukturen für alle Regionen in Deutschland, die wir erstellt haben und öffentlich zugänglich machen werden. Die Daten stamrnen aus Google-Quellen, den Vereins- und Handelsregistern sowie lnternetseiten von Religionsgemeinschaften. Unser zweiter methodologischer Beitrag baut auf den neu gesammelten Daten auf und zeigt, dass der Ansatz früherer Studien, der gewählt wurde, um die Auswirkungen der ethnischen Einbettung zu untersuchen, nicht unbedingt Einbettung misst. Der demografische Anteil der eigenen Gruppe, der oftmals als Maß für die Einbettung herangezogen wird, spielt tür das wohlergehen von Zuwanderern und ihren Nachkommen keine so große Rolle. Stattdessen können Aspekte ethno-religiöser lnfrastrukturen Wohlbefinden teilweise erklären. lnsbesondere Vereine tragen zu einem verbesserten Wohlbefinden bei, während Lebensmittelgeschäfte und Gotteshäuser nicht systematisch dazu beitragen. Daher sind einige Aspekte der ethno-religiösen Einbettung für das Wohlbefinden relevanter als andere. Zur aktuellen Debatte tragen wir diese und folgende Erkenntnisse bei. Zum Einen ist räumliche Trennung im Allgemeinen nicht generell gut oder schlecht für das subjektive Wohlbéfinden von Einwanderern und ihren Nachkonimen; besonders Vereine werden mit höherem Wohlbefinden in Verbindung gebracht, während andere lnfrastrukturen überraschend weniger ins Gewicht fallen. Weiterhin profitieren besonders die Nachkommen von Zuwanderern, die sich stark mit dem Herkunftsland ihrer Eltern identifizieren von Nachbarschaften mit ethno-religiösen Verbänden. Diese Gruppe ist statistisch relevant, da sie etwa die Hälfte der sogenannten zweiten Generation ausmacht. Anders als gemeinhin angenommen, nimmt die Bedeutung ethno-religiöser Infrastrukturen für die zweite Generation nicht ab, sondern sogar zu.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Gebetshäuser, Geschäfte, Vereine. Eine Berliner Geografie ethno-religiöser lnfrastrukturen. WZB Mitteilungen, no. 173: 12-16
Wiedner, Jonas, Merlin Schaeffer, Sarah Carol, and Susanne Bölier
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Der Wert Der Nachbarschaft. Wie Vereine Das Wohlbefinden von lmmigrant*innen Steigern. WZB Mitteilungen, no. 175: 17-20
Carol, Sarah, Merlin Schaeffer, and Jonas Wiedner
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Ethno-religious neighbourhood infrastructures and the life satisfaction of immigrants and their descendants in Germany. Urban Studies, 59(14), 2985-3004.
Wiedner, Jonas; Schaeffer, Merlin & Carol, Sarah
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Spatial overlap: Trade-offs in Refugees’ Residential Choices. (2023, 1, 24). American Geophysical Union (AGU).
Wiedner, Jonas & Schaeffer, Merlin
