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Kindliche Phantasie als Gegenstand der Kontrolle: Weibliche Kriminalpolizei, NS/BRD, 1937-1970, Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, 1970-1990

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2019 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 422675480
 
Kindliche Phantasie war seit den Forschungen Alfred Binets zur Suggestibilität in der sich auf ihn berufenden Aussagepsychologie als eine Einschränkung der kindlichen Aussagefähigkeit betrachtet worden. In diesem Sinn hat sich seit den Untersuchungen William Sterns, Franziska Baumgartens, Maria Zilligs und Karl Marbes auch im juristischen Kontext die Ansicht durchgesetzt, dass Aussagen von Kindern vor Gericht oder der Polizei zumindest mit äußerster Vorsicht betrachtet werden sollten, wenn sie nicht überhaupt als Zeug*innen ausgeschlossen werden müssten. Die sich verfachlichende und verwissenschaftlichende polizeiliche und wohlfahrtsstaatliche Verwaltung hat u. a. unter Bezug auf diese Forschung verschiedene Institutionen etabliert, die den Wunsch nach wissensbasierten Praktiken der Kontrolle kindlicher Phantasie realisieren sollten.Anhand der archivalischen Erschließung der Aktivitäten der Weiblichen Kriminalpolizei in Leipzig und Berlin (WKP) im NS und in der BRD sowie der Akademie für Pädagogische Wissenschaften der DDR (APW) möchte das Projekt danach fragen, in welcher Weise kindliche Phantasie als potentielle Bedrohung und damit Gegenstand notwendiger Kontrolle konstruiert wurde. Die WKP wurde als eigenständige Polizeieinheit in den 1920er Jahren in verschiedenen Polizeiverwaltungen der Länder verankert und war u. a. dafür zuständig, Kinder als Verletzte und Zeug*innen zu vernehmen und die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu bewerten. Mit der Verreichlichung der Polizei im Jahr 1937 erhielt sie eine einheitliche Organisation und existierte in der BRD bis in die 1970er Jahre. Direkt dem Ministerium für Volksbildung unterstehend, hat die im Jahr 1970 gegründete APW pädagogische Forschung zur konkreten Gestaltung pädagogischer Praxis (u. a. Kinderkrippe, Oberschule, Lehrplangestaltung) verwendet. Sie eignet sich daher, die Beziehung zwischen Politik, Wissenschaft und konkreten pädagogischen Praktiken in Schule und Lehrerbildung zu untersuchen.Beide Institutionen erlauben es somit, die Frage nach unterschiedlichen Strategien zu stellen, die im Rahmen verschiedener politischer Regime verfolgt wurden, um sowohl präventiv als auch kontrollierend und repressiv wissenschaftliches Wissen zu produzieren und zu implementieren, Kindheit und kindliche Phantasie zum Gegenstand von Kontrollwissen und -praktiken zu machen. Hierfür sollen erstens die konkreten, meist psychologischen, Wissensressourcen untersucht werden, auf die sich die pädagogischen und polizei(wissenschaft)lichen Praktiken beriefen sowie der Diskurs von Pädagogik und vernehmungstechnischer Polizeiwissenschaft nachvollzogen werden. Zum anderen sollen anhand von exemplarischen Mikrostudien die konkreten Praxisformen analysiert werden, die WKP und APW jeweils generiert haben, um kindliche Phantasie in lokalen Feldern zu kontrollieren und zu disziplinieren.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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