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Entwicklung eines Modells zur Perfektionismus-spezifischen Variation in der Fehlerverarbeitung: Überprüfung der Optimierungs- und Vermeidungshypothese in einem multimodalen Ansatz

Antragstellerin Professorin Dr. Jutta Stahl
Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 422815754
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Irren ist menschlich, doch nicht aus der Sicht einer perfektionistischen Person. In diesem Projekt, das aus vier EEG-Studien und einer Verhaltensstudie besteht, wurde die Beziehung zwischen Verhalten und den neuronalen Korrelaten der Fehlerverarbeitung bei Menschen mit unterschiedlicher Ausprägung von Perfektionismus untersucht. Den Ausgangspunkt des Projekts bilden drei Hypothesen zur Fehlerverarbeitung im Zusammenhang mit Perfektionismus: (a) Personen mit hohen persönlichen perfektionistischen Standards nutzen Informationen aus Fehlhandlungen, um ihr Verhalten zu optimieren (Optimierungshypothese). Personen, die hingegen hohe perfektionistische Bewertungssorgen haben, neigen entweder (b) dazu, Fehlerverarbeitung zu vermeiden, um negative Emotionen im Zusammenhang mit Fehlern und der erwarteten negativen Bewertung durch andere zu reduzieren (Vermeidungshypothese), oder (c) sind aufgrund ihrer Sorgen vor negativen Bewertungen durch andere möglicherweise weniger in der Lage, Fehler zu verarbeiten, da ihre kognitive Kapazität durch das Sorgen eingeschränkt ist (Kapazitätshypothese). Zunächst entwickelten (N=30, N=33) wir eine anspruchsvolle Aufgabe (den sog. Eight-Alternative-Response Task), um später ausreichend Fehler bei Personen zu evozieren, die in ihrem Verhalten eigentlich nach Perfektion streben. Im Weiteren verwendeten wir verschiedene Versionen dieser Aufgabe (z.B. mit und ohne explizite Instruktion zur Selbstbewertung; mit variierender Anzahl von Stimuli und Antwortoptionen etc.). Das Projekt verfolgte einen multi-methodalen Ansatz, welcher Verhaltensmessungen, EEG-Daten, Methoden des maschinellen Lernens und computerbasierte Modellierung integrierte. Mehrere neuronale und verhaltensbezogene Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kognitive Kapazität für Fehlerverarbeitung bei Personen mit hohen Bewertungssorgen reduziert ist, anstatt dass Fehlerverarbeitung ausdrücklich vermieden wird. Ein Kernbefund (die Interaktion zwischen den beiden Perfektionismusfacetten und der Reaktionsgenauigkeit bei der Fehlernegativität) aus Studie 2 (N=90), konnte in Studie 3 (N=137) repliziert werden. Auch erste Analysen von Studie 4 (N=125) unterstützen die Kapazitätshypothese. Die Optimierungshypothese konnte durch die Ergebnisse dieses Projekts weder bestätigt noch widerlegt werden. Die Ergebnisse im Zusammenhang mit der neu entwickelten Aufgabe und unserem Perfektionismus-Ansatz haben bereits mehrere Folgestudien inspiriert. Eine dieser Studien könnte dazu beitragen, ein besseres Verständnis für klinisch relevanten Perfektionismus zu gewinnen (beispielsweise bei Personen mit Depression). Da Perfektionismus ein transdiagnostisches Phänomen ist, das im Zusammenhang mit verschiedenen Störungsbildern wie Essstörungen, Angststörungen und Depression beobachtet wird, könnte ein Einblick in potenziell dysfunktionale kognitiv-emotionale Strategien im Umgang mit Fehlern auch helfen, therapeutische Ansätze weiterzuentwickeln.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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