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Projektepistemologie Wissensproduktion zwischen Kontingenz und Disposition am Beispiel von Verbundforschung

Antragsteller Thomas Krämer
Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung in 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 423225684
 
Die Studie entwirft eine methodologische Synopse von Konzepten aus den Science Studies und dem New Materialism, um Verbundforschung am Beispiel von drei kardiovaskulären Sonderforschungsbereichen (SFB) in Düsseldorf zwischen 1968 und 2012 als Forschungsfeld zu konzeptualisieren - u.a. mit Bachelard/Heidegger, Canguilhem, Latour, Rheinberger, Keating/Cambrosio. Entlang des Spannungsfeldes zwischen institutioneilen und methodischen Plattformen (Dispositionen) und den Unvorhersehbarkeiten bei der Projektdurchführung (Kontingenzen) etabliert das erste Kapitel eine „Projektepistemologie“, die davon ausgeht, dass Wissenschaft nicht entdeckt, sondern entwirft. Wissenschaftliche Projekte werden mit Bachelard als dynamische Zwischenräume zwischen forschendem Subjekt und im Forschungsprozess hervorzubringendem Wissensobjekt samt seiner apparativ-bildlichen Repräsentationen verstanden. Mit Latour werden Translationsketten von der Materie des Organismus hin zur Form einer Inskription in den Lebenswissenschaften vermittelt. Epistemische Dinge und technische Objekte in Experimentalsystemen (Rheinberger) werden mit SFB-spezifischen experimentellen Kontingenzen und institutioneilen Dispositionen identifiziert. Die Darstellung der Institutionsgeschichte und der klinischen Forschung am Standort Düsseldorf erfolgt mithilfe des Plattformbegriffs von Keating/Cambrosio. Im zweiten Kapitel werden die wissenschaftshistorischen und krankenhausgeschichtlichen Dispositionen geklärt, die es erlaubten, den ersten kardiologischen SFB 30 (1968-1985) in Düsseldorf einzurichten. Die Analyse der Archivdokumente des SFB 30 zeigt neben der historischkontingenten Initiierungsphase des SFB-Förderprogramms, welche Resonanzen zwischen der Optimierung der DFG-Verfahrensordnung und der Entwicklung der Kooperationsstrukturen sowie des Forschungsprogramms bestehen. Anhand der Darstellung des methodischen Spektrums der experimentellen Kardiologie schließt das zweite Kapitel mit der Charakterisierung von „translational gaps“ - d.h. physiologische Unvergleichbarkeiten zwischen Tiermodellen und der klinischen Situation beim Menschen. Im Ergebnis kommt es bei kardiologischer Verbundforschung auf das Oszillieren zwischen holistischen pathophysiologischen Perspektiven von Klinikern und reduktiven molekularbiologischen Perspektiven von Naturwissenschaftlern an; diese Perspektiven muss der Verbund in einen gemeinsamen Problemhorizont übersetzen und für Forschungsanträge zur Synopse bringen. Ob die Labormaus das Potenzial hat, solche translational gaps zu schließen, und als Brücke zwischen Labor und Klinik fungieren kann, wird im dritten Kapitel beantwortet. Im Fokus der Untersuchung stehen die im SFB 612 (2002-2012) verwendeten transgenen Mausmodelle. Als Hybride zwischen epistemischen Dingen und technischen Objekten spielen die Mäuse in ihrer experimentellen Materialität und Widerständigkeit eigene Möglichkeiten aus und verändern das Verständnis von normal und pathologisch der SFB-Forscher.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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