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Quantitative Drama Analytics: Tracking Character Knowledge (Q:TRACK)
Antragsteller
Professor Dr. Nils Reiter, seit 3/2021
Fachliche Zuordnung
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung
Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 424244162
Seit den Anfängen des Dramas basieren Tragik und Komik vorrangig auf sozialen, insb. familiären Beziehungen. Die asymmetrische Verteilung von sozialem Figurenwissen ist die wichtigste Motivation für die dramatische Handlung (Mythos) und die dramatische Wirkung auf das Publikum. Die Forschung hat sich wiederholt mit dem Phänomen des Wissens über Figurenbeziehungen beschäftigt, allerdings nur in Bezug auf kleinere Einheiten wie einzelne Stücke oder Oeuvres. Jenseits dieser close readings gibt es noch keine Untersuchungen sozialen Figurenwissens auf höherer Skalierungsstufe. In Q:TRACK widmen wir uns diesem Desiderat, indem wir Methoden der Computerlinguistik/Digital Humanities mit literaturwissenschaftlicher Dramentheorie verbinden.Unser erstes Forschungsziel ist ein literatur- und dramengeschichtliches. Durch die Analyse eines Korpus von mehr als 600 Dramen werden wir die Wechselwirkungen zwischen sozialen Beziehungen und dramatischen Konflikten im historischenen Verlauf quantifizieren und spezifizieren können. Im Detail untersuchen wir, wann und wie soziales Wissen zwischen Figuren übertragen wird. Denn echte, angenommene oder verschwiegene soziale Beziehungen begründen tragische und komische Interaktion ebenso wie Interaktion soziale Beziehungen schafft.Das zweite Ziel ist die Operationalisierung der Weitergabe von Wissen in diesen fiktiven Welten. Wir konzentrieren uns dabei auf soziales Wissen von Dramenfiguren, da es sich hierbei um die wichtigste Form dramatischen Wissens handelt ("Orest ist Bruder von Elektra”). Technisches und methodisches Ziel ist, Annotationsrichtlinien für Wissensdissemination zu entwickeln, Textstellen anschließend durch überwachte maschinelle Lernverfahren automatisch zu extrahieren und das dort transferierte Wissen über den Verlauf des Textes hinweg figurenspezifisch zu akkumulieren. Daneben wollen wir durch eine semi-automatische Strukturerkennung auch die Datengrundlage der quantitativen Dramenanalyse verbessern.Dieses Vorhaben ist motiviert durch die dramenhistorische und interpretative Relevanz des bislang kaum erforschten Figurenwissens. Insbesondere Asymmetrien und Veränderungen von Wissen, das Figuren über die sozialen Beziehungen in ‚ihren‘ fiktiven Welten haben (oder nicht haben), werden seit der Antike als konstitutiv für dramatische Wirkungstheorien (u.a. Katharsis) verstanden. In der Komödie wird die Verwechslung genrebildend und führt über Shakespeare zur „Comedy of Errors“ (Verwechslungskomödie). In der Tragödie sind die ältesten und populärsten Glückswechsel des Helden (Peripeteia) eng mit dem Wissen verbunden, das dieser über sich selbst oder andere hat (Anagnorisis).Daher ist die Distribution und Dissemination von sozialem Wissen die zentrale Währung, die Lesende und Forschende zu verhandeln haben. Q:TRACK pilotiert Verfahren der komputationellen Analyse von Figurenwissen, indem wir sie auf eindeutig definierbare und prozessierbare Formen sozialen Wissens anwenden.
DFG-Verfahren
Schwerpunktprogramme
Teilprojekt zu
SPP 2207:
Computational Literary Studies
Ehemaliger Antragsteller
Dr. Marcus Willand, bis 2/2021