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Traveling Theories: Die Geschichte der Anthropologie in der Türkei (1850-1950)

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 424559400
 
Das Vorhaben befasst sich kritisch mit der Geschichte der Anthropologie in der Türkei zwischen 1850 und 1950. Die Anthropologie in der Türkei zeichnet sich durch einen Eklektizismus aus: Sie kombiniert evolutionäre, nationalistische und moderne Paradigmen und formt sie zu einer komplexen nicht westlichen anthropologischen Tradition. Im Kontext dieses Vorhabens ist Anthropologie als Sammelbegriff zu verstehen, der neben der Disziplin Anthropologie auch die Disziplinen der Volkskunde und Ethnologie bezeichnet. Die sich herausbildende Landschaft der Anthropologie und ihre Besonderheiten werden in der Türkei geprägt durch Nationale Projekte, spezifische intellektuelle Konfigurationen und die politischen Konstellationen. Der Eklektizismus der Anthropologie in der Türkei geht unter anderem zurück auf den soziokulturellen Wandel, der sich im ausgehenden osmanischen Reich und in der frühen türkischen Republik in den politischen und kulturellen Eliten der Zeit vollzieht. Bislang ist die türkische Anthropologie im Rahmen der Geschichtsschreibung der anthropologischen Disziplinen aus zwei Gründen weitestgehend übersehen worden. Zum einen vermochte die westliche Theorie und Praxis, durch ihre Dominanz die „anderen“ Anthropologien zu vernachlässigen. Die Türkei wurde damals epistemologisch nur als „anthropologisches Feld“ betrachtet. Ethnographisches Wissen sei dort lediglich zu erheben gewesen. Aber die Türkei galt nicht als Ort eigenständiger anthropologischer Wissensproduktion. Zum anderen hatten türkische Anthropologen selber Anteil an dieser Unsichtbarkeit. Sie versäumten, die Einzigartigkeit ihrer disziplinären Entwicklung zu erkennen und sich in positiver Weise auf die daraus folgenden Besonderheiten zu beziehen. Um diesen Facetten der Unsichtbarkeit türkischer Anthropologie Rechnung zu tragen, nimmt das Vorhaben die analytische Perspektive der „world anthropologies“ ein. Dieser Ansatz betont in Bezugnahme auf postkoloniale Theorien die ungleiche Verteilung von Macht als Bedingung für die ungleiche Entwicklung der Anthropologien in unterschiedlichen nationalen Kontexten. Vor diesem Hintergrund vermag das Projekt die Eigenständigkeit der Traditionen in Forschung und Lehre in der türkischen Anthropologie zur Geltung bringen. Eine zentrale Annahme ist hierbei, dass die türkische Anthropologie gerade durch „traveling theory“ (Said 1982) florierte. Hierbei verhandelte die türkische Anthropologie seit den 1850ern verschiedene europäische ethnologische Traditionen und modifizierte sie in kreativer Weise. Durch diese originären Perspektive auf die dynamische anthropologische Tradition in der Türkei trägt das Vorhaben zu einer dezentralisierten anthropologischen Geschichtsschreibung bei. Anhand von fünf prägenden Momenten in der Fachgeschichte der türkischen Anthropologie arbeitet das Vorhaben die Übergänge und Umbrüche in den Bedeutungen und Verwendungen zentraler Begriffe der Disziplin heraus, wie beispielsweise Rasse, Volk und Nation.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich(e) Professorin Gisela Welz, Ph.D.
 
 

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