Konzeption eines integrierten Qualitätsmanagements für den Stadtverkehr
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Qualität des Verkehrssystems stellt einen wesentlichen Standortfaktor für Städte dar. Durch zunehmendes Verkehrsaufkommen zumindest in den Ballungsräumen ist von einer sinkenden Verkehrsqualität auszugehen. Weitere Anforderungen an den Stadtverkehr werden durch gesetzliche Vorgaben insbesondere im Umweltbereich gestellt. Gleichzeitig sind die Mittel für Ausbau, Instandhaltung und Betrieb der Verkehrsnetze knapp. Daher steigt der Druck, die Funktionsfähigkeit und eine hohe Qualität der Verkehrsnetze zu sichern und die dazu verfügbaren Mittel effizient und zielgerichtet einzusetzen. Zur Versachlichung der fachlichen, politischen und öffentlichen Diskussionen ist es darüber hinaus zunehmend notwendig, Qualität hinsichtlich Anspruch, Status und Handlungsbedarf fundiert zu beschreiben und nachvollziehbar zu belegen. Es erscheint daher folgerichtig und zwingend, Methoden und Instrumentarien des modernen Managements, wie etwa Qualitätsmanagementkonzepte, auch im Verkehr zur Anwendung zu bringen. Den heute verantwortlichen Experten kann ausdrücklich ein in der Regel umfassendes Bemühen um die Qualität der Verkehrssysteme in unseren Städten bescheinigt werden. Allerdings ist dies bisher weitgehend von isolierten Ansätzen sowie von der Reaktion auf akute Mängel, von Intuition und individuellem Sachwissen geprägt, und es wird durch die einsetzbaren Ressourcen und die verfügbaren Methoden und Verfahren beschränkt. Das vorhandene Bemühen um Qualität muss zu einem umfassenden systematischen Ansatz und Einsatz des Qualitätsmanagements zusammengeführt werden. Eine strukturierte Auseinandersetzung mit dem Qualitätsmanagement im Stadtverkehr als Gesamtsystem gibt es bisher nicht. Im Forschungsprojekt wurde ein grundlegendes Konzept eines Qualitätsmanagements für den Stadtverkehr entwickelt. Dabei wurden sowohl das Produkt Verkehrssystem und seine vom Verkehrsteilnehmer wahrgenommenen Merkmale wie Verkehrsablauf und Komfort als auch die Prozesse, die zu diesem Produkt führen, berücksichtigt. Vorhandene Ansätze des Qualitätsmanagements im Allgemeinen und im Verkehrswesen wurden dabei aufgegriffen. Es handelt sich um ein integriertes Konzept, das die verschiedenen Verkehrsmittel, die Wirkungsfelder und Bezugsgruppen in Planung, Bau und Betrieb des Verkehrssystems betrachtet und dabei alle Schritte eines Qualitätsmanagements beinhaltet. Das Qualitätsmanagement greift die bestehenden Prozesse auf, ergänzt und verknüpft sie. Das entwickelte Qualitätsmanagement-Konzept richtet sich an die Stadt als Gebietskörperschaft und hoheitlicher Aufgabenträger. Es umfasst alle Bereiche, für die die Stadt verantwortlich ist bzw. auf die sie im Rahmen ihrer Verantwortung Einfluss nehmen kann. Der Ansatz ist institutionsübergreifend, da die Ergebnisqualität des städtischen Verkehrssystems von vielen Faktoren beeinflusst wird, die in der Regel nicht vollständig im Verantwortungsbereich einer Behörde liegen. In der entwickelten Gesamtstruktur für das integrierte Qualitätsmanagement ist der Stadtverkehr in seiner Gesamtheit einschließlich der bestehenden Verknüpfungen und Wechselwirkungen der Systemelemente und Prozesse abgebildet. Im Sinne der Handhabbarkeit und einer sukzessiven Realisierung ist die Struktur hierarchisch und modular gegliedert. Die definierten Grundmodule beziehen sich auf alle Wertschöpfungsprozesse für Planung, Realisierung und Betrieb des Verkehrssystems. Diese Module stellen Bausteine dar, die grundsätzlich unabhängig als Qualitätsmanagementsystem eingeführt werden können. Sie sind so abgegrenzt, dass sie einerseits nicht zu umfangreich sind und somit den genannten Gründen für eine Modularisierung widersprechen würden und andererseits nicht zu feinteilig, so dass sich die Anzahl der Schnittstellen erhöhen und der Aufwand für die Einführung des Moduls unverhältnismäßig hoch werden würde. Insbesondere die verkehrsbezogenen Qualitätsmerkmale des Verkehrssystems werden jedoch durch verschiedene Prozesse beeinflusst. Entsprechend korrespondiert die Wahrnehmung des Verkehrssystems durch die Kunden (Verkehrsteilnehmer) oft nicht mit den einzelnen Prozessen. Die Grundmodule ermöglichen entsprechend unmittelbar keine übergeordneten Erkenntnisse, die über die Sichtweise einzelner Prozesse hinaus gehen. In Ergänzung zu den Grundmodulen werden deshalb übergeordnete Module definiert. Diese dienen folgenden Zielen: Zusammenfassung und Ergänzung der Grundmodule um ergänzende Sichten zu erschließen, übergeordnete Zusammenhänge zu identifizieren, Maßnahmen aufeinander abzustimmen und Maßnahmen zu priorisieren, Information politischer Gremien und Information der Öffentlichkeit. Diese übergeordneten Module wurden nach den Kriterien Verkehrsmittel, Umsetzungsphasen, Qualitätsziele, Bezugsgruppen, räumliche Strukturen und Organisationsstrukturen abgeleitet. Die Forschungsarbeit stellt einen grundsätzlichen Leitfaden für die Implementierung eines integrierten Qualitätsmanagement für den Stadtverkehr dar. Sie beschreibt grundlegend, wie ein umfassendes Qualitätsmanagement für den Stadtverkehr aufgebaut werden kann und wie es im Einzelfall für die jeweilige Stadt zu konkretisieren und anzupassen ist. Dafür wurde aufbauend auf der entwickelten Struktur für die Grundmodule und die übergeordneten Module beschrieben, wie diese zu spezifizieren und umzusetzen sind. Diese Vorgehensweise wurde anhand von Beispielen verdeutlicht, die im Sinne allgemeiner Leitfäden exemplarisch ausgearbeitet wurden. Ergänzend wurden Hinweise für die Implementierung des Konzepts bereit gestellt. Die Machbarkeit und die Sinnhaftigkeit des Konzepts wurden in Fallbeispielen und in einem Experten-Workshop bestätigt. Es wurde jedoch deutlich, dass die Einführung ein langwieriger, mehrjähriger Prozess sein wird, dem noch umfangreiche Überzeugungarbeit vorausgehen muss. Voraussetzung ist dafür ein entsprechendes Problembewusstsein auf Seiten der Politik. Das Ergebnis dieses Forschungsprojekts stellt für Städte die Vorgehensweise dar, um ein umfassendes Qualitätsmanagement für ihr Verkehrssystem einzuführen. Ziele dieser Einführung sind eine Effizienzsteigerung, die Vermeidung von Fehlerfolgeaufwänden, die Dokumentation der Prozess- und Ergebnisqualität im Stadtverkehr als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage und letztlich die Verbesserung des Verkehrssystems. Für die Weiterentwicklung und Umsetzung des Konzepts sind folgende Schritte erforderlich: Kompakte Aufbereitung als Leitfaden für die Praxis, Weiterentwicklung der allgemeinen Modulspezifizierungen und Erstellung von Muster- Qualitätsmanagement-Handbüchern, Durchführung von Modellprojekten, Einbeziehung der Politik in den Qualitätsmanagement-Ansatz, Entwicklung einer Qualitätsmanagement-Software, Aufbau eines Forums zum Qualitätsmanagement im Stadtverkehr.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Concept for an Integrated Quality Management for Urban Traffic Systems – Commencement of a Research Project. Joint Summer Seminar on Transport Planning and Traffic Engineering, Hirschegg (Österreich), 02.-06.07.2007
Heiko Jentsch
- Design of an Integrated Quality Management System for Urban Transportation – Project Introduction. Ministry of Land, Infrastructure, Transport and Tourism (MLIT), Tokio (Japan), 11.09.2008
Heiko Jentsch
- Design of an Integrated Quality Management System for Urban Transportation. Joint Summer Seminar on Transport Planning and Traffic Engineering, Gotemba (Japan), 15.-19.09.2008
Heiko Jentsch
- Design of an Integrated Quality Management System for Urban Transportation. TransPort Traffic Advisory Committee (TAC), Portland (OR, USA) , 14.05.2008
Heiko Jentsch
- Gesamtansatz für ein „QM Stadtverkehr“: Sitzung der Kommission K1 („Qualitätsmanagement“) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) am 07.04.2008
Manfred Boltze, Heiko Jentsch
- Konzeption eines integrierten Qualitätsmanagements für den Stadtverkehr. Universitätstagung Verkehrswesen, Burg Warberg, 28.-30.09 2008
Heiko Jentsch
- Qualitätsmanagement für den Stadtverkehr (Vortrag in vier Blöcken). Workshop „Qualitätsmanagement für den Stadtverkehr“, Darmstadt, 18.09.2009
Heiko Jentsch
- „Konzeption eines integrierten Qualitätsmanagements für den Stadtverkehr“. Einreichung am Fachbereich Bauingenieurwesen und Geodäsie der Technischen Universität Darmstadt im Oktober 2009, Disputation am 21.12.2009
Heiko Jentsch