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Riskante Hormone, schwangere Patientinnen und die umstrittene Forschung zu angeborenen Fehlbildungen: der Aufstieg und Fall hormoneller Schwangerschaftstests in der Bundesrepublik und Großbritannien, 1950-81

Antragstellerin Dr. Birgit Nemec
Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung seit 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 429045347
 
In diesem Projekt wird erstmals die Geschichte hormonellerSchwangerschaftstests (HSTs) untersucht, mit dem Ziel zentraleThemen in der Geschichte der Biomedizin, der Gesundheitspolitik undder Reproduktion nach 1945 zu beleuchten. Heute mag esverwundern, dass Ärzte jemals Tabletten als Schwangerschaftstestsverschrieben, doch vor dem Aufstieg moderner Heimtests in den1980er Jahren wurden Millionen Frauen weltweit HSTs verabreicht:diagnostische Arzneimittel, die eine Schwangerschaft durchmenstruations-ähnliche Blutungen ausschlossen. Als innovativeKombination aus Östrogen und Gestagen kündigten HPTs bereits dieein Jahrzehnt später erfolgte Einführung oraler Kontrazeptiva (OK)an. Im Zug der Thalidomid Tragödie wurden sie in eine langwierigeinternationale Debatte über die Teratogenität synthetischerSexualhormone involviert, die bis heute nachklingt. OK undThalidomid wurden historiographisch aufgearbeitet und gelten heuteals zentral für ein historisches Verständnis von Medizin,Gesundheitspolitik und Reproduktion nach 1945. HSTs tragen zumVerständnis der komplexen Beziehung zwischen OK und Thalidomidbei, doch ist über ihre Geschichte noch wenig bekannt. Wir beziehenuns auf Vielzahl an publizierten/unpublizierten Quellen, Oral HistoryInterviews und umfangreiche, wenig genutzte staatliche, Firmen- undprivate Archivbestände um die verflochtene Geschichte HSTs in derBRD und GB zu untersuchen. Wir kontextualisieren hierbei OK undThalidomid mit dem Ziel einer Neuinterpretation vonSchüsselaspekten von Sexualität, Gender, Medizin, Regulierung undRisiken in den ereignisreichen Jahrzehnten nach 1945. Das Projektstrebt vier methodische Innovationen an: (1) HSTs wurden in der BRentwickelt, warum also warnte man erstmals in GB vor ihnen? Wirentwickeln eine integrierte Analyse HSTs in der BRD/GB – als eineverflochtene, global gerahmte Geschichte. (2) Als Erweiterung deranalytischen Perspektive stellen wir die Erfahrungen von Patienten-AktivistInnen ins Zentrum und entwickeln, auf etabliertenArbeitsbeziehungen mit Interessensvereinigungen in Deutschland/GBaufbauend, ein nachgefragtes und allgemein nützliches Archiv mitOral History Interviews. (3) Reproduktion ist ein schnell wachsendes,breites Thema in den Geistes- und Sozialwissenschaften. UnserProjekt fördert durch internationale Zusammenarbeit die stärkere Etablierung von „Reproduktion und Risiko“ als Thema in derzeithistorischen Forschung. (4) Beginnend mit einer Tagung inCambridge 2017 – organisiert von JOG; BN war mit einem Paperbeteiligt – haben wir ein ungewöhnlich aktives und interdisziplinäresNetzwerk and HistorikerInnen, SozialwissenschafterInnen, Patienten-AktivistInnen, Anwälten, ÄrztInnen, Journalisten undEntwicklungsbiologInnen ins Leben gerufen. Im nächsten Schritt sollunser Projekt Grundlagen für einen weltweit führendenZusammenschluss von Expertise legen, dessen positive Auswirkungauf Entscheidungsprozesse über die Zeit des Projektes hinaus zuerwarten ist.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Großbritannien
Kooperationspartner Dr. Jesse Olszynko-Gryn
 
 

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