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The Failure of Knowledge / Knowledges of Failure

Subject Area European and American Literary and Cultural Studies
Term from 2019 to 2024
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 433134351
 
Final Report Year 2024

Final Report Abstract

In seiner Untersuchung des Nexus’ von Scheitern und Wissen in der US-Kulturgeschichte mit Fokus auf dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart konstatierte das Netzwerk, dass Scheitern und Wissen in einem sich wechselseitig bedingenden Verhältnis stehen, das von Macht, der Subjektposition der Wissenden und nicht zuletzt durch die Um-welt (Medienökologien, nicht-menschliche Aktant*innen, etc.) inflektiert wird: Die institutionalisierte Wissensproduktion grenzt bestimmte epistemische Formationen aus, der (Siedlungs-)Kolonialismus hat historisch nicht-westliches Wissen unterdrückt, und die Übersetzung von Wissen in Praktiken (sowie umgekehrt der Transfer von Praxis und gelebter Erfahrung in archiviertes Wissen) scheitert oftmals (failure of knowledge); umgekehrt offenbart das Wissen von als gescheitert gebrandmarkten Individuen und Kollektiven (subversives Wissen, ‘knowledge from elow’, etc.) besonders kenntnissreiche Einblicke in hegemoniale Ordnungen wie strukturellen Rassismus (knowledges of failure) und wird oft in Medien generiert and transportiert, die nicht als traditionelle Loci der Wissensproduktion gelten (Literatur, Populärkultur, implizites Wissen, etc.) Der seitens des Netzwerk mobilisierte dialektische Zugriff auf Scheitern bewährte sich: Scheitern (von Individuen ebenso wie von Epistemen) erscheint somit weniger als persönliches Versagen, sondern als Resultat struktureller Gegebenheiten, und kann sogar als widerständige Praxis aufgefasst werden. Jedoch scheint auch in Fällen, in denen Scheitern als Widerstand resignifiziert wird, die Kritik an den strukturellen Gegebenheiten durch, die das Scheitern hervorriefen. Das Netzwerk konnte zur Verankerung der interdisziplinären failure studies in der Amerikanistik und darüber hinaus wesentlich zur Begriffsschärfung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Debatte über Wissen beitragen: In einem politischen und kulturellen Moment, in dem Wissen beziehungsweise die auf die Aufklärung rekurrierende philosophische Tradition Kritik unterschiedlichster ideologischer Provenienz ausgesetzt ist (Neue Rechte; dekoloniale Kritik) hat das Netzwerk erstens den Zusammenhang von Wissen und Scheitern in der U.S.-Kulturgeschichte in historischer Perspektive und mithilfe eines breiten Panoramas theoretischer Zugriffe untersucht, die nicht regelhaft im Dialog miteinander stehen (u.a. Ökokritik, posthumanistische Theorie, Queer Theory, Black Studies, Critical Digital Studies, historischer Materialismus). Zweitens hat das Netzwerk einen Zugriff auf Wissen gefunden, der es erlaubt, bestimmte non-traditionelle epistemische Formationen (z.B. Patient*innenwissen, literarisches Wissen, Klatsch) als Wissen anzuerkennen, ohne jedwede Wahrheitsbehauptung als Wissen ansehen zu müssen. Die vom Netzwerk erzielten Forschungsergebnisse sind für das angewandte Feld der Wissenskommunikation von besonderem Interesse. Der sich nach der Bewilligung des wissenschaftlichen Netzwerks im Herbst 2019 stark wandelnde politische und gesellschaftliche Kontext hat in überraschender Deutlichkeit gezeigt, welche Revelanz der Nexus von Scheitern und Wissen im frühen 21. Jahrhundert besitzt: Die Corona-Pandemie ging mit der Leugnung natur- und lebenswissenschaftlicher Ergebnisse einher, die bereits in der Klimawandelleugnung virulent war und es weiterhin ist; Desinformation im Netz stellt eine zunehmende Gefahr für den politischen Diskurs in westlichen Demokratien dar und KI macht menschlichem Wissen zunehmend Konkurrenz; nicht zuletzt haben sich die culture wars inbesonders in den USA verschärft, wodurch einerseits unter dem Schlagwort cancel culture der Vorwurf im Raum steht, minoritäre Kollektive schränkten das Recht auf Wissenschaftsfreiheit politisch unliebsamer Akteur_innen ein, während andererseits staatliche Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit zu verzeichnen ist (z.B. das Verbot im US-Bundesstaat Florida, an öffentlichen Hochschulen und Schulen Critical Race Theory zu lehren). Überraschend war zudem die sich aus dem eben genannten gesellschaftlichen Kontext ergebende Dringlichkeit, sich als Netzwerk mit einem belastbaren, normativen und gleichsam unzweideutigen Wissensbegriff zu positionieren, gerade auch angesichts des Erbes des Poststrukturalismus in den Kulturwissenschaften, der in politischem Relativismus resultieren kann.

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