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Travelling imaginations – Rezeption, Adaption und Popularisierung der Heartland-Theorie Halford J. Mackinders

Antragsteller Dr. Oliver Krause
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 433575562
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Heartland-Theorie des britischen Geografen Halford J. Mackinder (1861-1947) mäanderte als geopolitische Imagination einer zukünftigen globalen Raumordnung durch das 20. Jahrhundert und bleibt, wie die Bezüge des russischen Narrativs von der Wiedererlangung weltpolitischer Macht zu Mackinders Theorie bei Alexander Dugin bereits lange vor dem Ukrainekrieg zeigten, auch im 21. Jahrhundert einer der Fixpunkte des Diskurses zu Neuordnungsprozessen, der infolge der Bedrohung und Destabilisierung etablierter Raumordnungen, meist forciert durch kriegerische Handlungen, aber auch bedingt durch die Instabilität politischer Systeme, geführt wird. Begründet liegt der wiederkehrende Rückgriff auf die Heartland-Theorie in ihrer Anpassungsfähigkeit an verschiedene historische und politische Ereignisse, die Mackinder der Theorie selbst einschrieb, indem er die Theorie über vier Jahrzehnte hinweg drei Modifizierungen (1904, 1919, 1943) unterzog. Mackinders Heartland-Theorie kann nicht, wie von ihm selbst indiziert, als monolithische Einheit gelten. Die drei Modifikationen müssen als jeweils eigenständige Konzepte begriffen werden, die sehr disparate, den nationalen Interessen der Rezipienten entsprechende Adaptionen hervorbrachten. Die aus dem Streben nach der Vereinheitlichung der Entwürfe hervorgehende Konsequenz, die nicht nur von Mackinder selbst gewollt war, sondern auch in der thematischen Forschungsliteratur zu beobachten ist, war die Reduktion der theoretischen Komplexität in der Rezeption auf in allen Entwürfen konstant bleibende Parameter, deren Visualisierung in Karten die globale "Lesbarkeit" der Theorie unabhängig von Sprachkompetenzen ermöglichte. Die Komplexitätsreduktion (Theorie und Karte) begründete die Anschlussfähigkeit und Popularisierung der Heartland-Theorie in den Vereinigten Staaten während des Zweiten Weltkriegs, die vor allem immigrierten, europäischen Mediatoren zu verdanken war, die durch die Übersetzung und Vermittlung von Wissen über die deutsche Geopolitik und Karl Haushofer das Interesse an Mackinders Heartland-Theorie weckten, was zu deren intensiver Rezeption und Adaption führte. Die Hypothesen der Heartland-Theorie wurden zu legitimatorischen Argumenten für die US-amerikanische Außenpolitik gegenüber der Öffentlichkeit während des Zweiten Weltkriegs und der ersten Phase des Kalten Kriegs umgearbeitet. Im Ergebnis des transkontinentalen Rezeptionsprozesses fungiert die Heartland-Theorie bis in die Gegenwart hinein als wissenschaftliche Legitimation strategischer und geopolitischer Narrative, die über ihre politische Bedeutung hinaus der Kontingenzbewältigung dienen. Die Theorie beschreibt nicht nur die Gegenwart, sondern stellt Prognosen für die Zukunft auf, denen strategisch entgegen getreten werden kann, die andererseits aber auch erfüllbar scheinen. Beides bietet in Phasen der Destabilisierung von Raumordnungen Erklärung, aber auch Deutungspotential, was den anhaltenden Bezug auf die Heartland-Theorie insbesondere in globalen Krisenmomenten begründet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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