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Ästhetische Staatsbürgerschaft: Formierungen des geschlechtlichen Selbst und Imaginationen urbaner Moderne in Chinas Peripherie

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 433753905
 
Dieses Forschungsprojekt untersucht die Beziehung zwischen körperlicher Ästhetik und Staatsbürgerschaft als einer Formierung des geschlechtlichen Selbst in einer spezifischen Machtgeographie, dem so genannten chinesischen Westen. Während Schönheit und Mode in maoistischer Zeit als frivol, dekadent und westlich verpönt galten, entwickelte sich die Volksrepublik China innerhalb weniger Jahre zu einem der größten Märkte für Kosmetikprodukte sowie der kosmetischen Chirurgie. Jie Yang (2011) beschreibt die wachsenden Investitionen in körperliche Schönheit im gegenwärtigen China als Teil eines zunehmend marktorientierten Konsumverhaltens sowie einer ‘biopolitischen’ Herrschaftsstrategie. Innerhalb dieser spezifischen Form der Governance operiert die Schönheitsökonomie als eine Form der ästhetischen und affektiven Pädagogik, die innerhalb der heterogenen Bevölkerung Chinas dominante ästhetische Normen schafft und Technologien für ihre Herstellung bereithält. Vor diesem Hintergrund fragt das Projekt nach den affektiven Imaginationen, Praktiken, Technologien und Machtkonfigurationen körperlicher Ästhetik und Weiblichkeit in einer peripheren Region des chinesischen Westens, vorzugsweise in Lhasa, der Hauptstadt der Autonomen Region Tibet. Aus hegemonialer Han-chinesischer Perspektive wird der von anerkannten ethnischen Minderheiten bevölkerte Westen als rückständig, in Traditionen verhaftet und fern von jeglicher urbanen Modernität gesehen. In der sozialwissenschaftlichen Forschung zu dieser Region überwiegen Arbeiten über kulturelle Werte und rituelle Praktiken einerseits und Konflikte um und den Widerstand gegen die Assimilationsbestrebungen des chinesischen Staates andererseits. Im Unterschied hierzu fokussiert das Projekt auf den leiblichen Auswirkungen der chinesischen Machtpolitik im Kontext ästhetischer Formierungen des Selbst. Ausgehend von ethnologischer Forschung in städtischen Schönheitssalons, Fitnessstudios und Kliniken fragt es nach dem Zusammenhang des gestiegenen Konsums ästhetischer Dienstleistungen und kosmetischer Produkte, transnationalen Vorstellungen von Schönheit und Modernität und machtpolitischer Disziplinierung und Kontrolle. Das dem Projekt zugrundeliegende Konzept der ästhetischen Staatsbürgerschaft verknüpft die mit der weltweiten Ausdehnung einer zunehmend globalen Kosmetik- und Schönheitsindustrie sozialen und leiblichen Transformationsprozesse mit Prozessen der Subjektivierung, Überwachung und Disziplinierung. Dabei knüpfe ich an Konzepte von Staatsbürgerschaft an, die diese als somatische Materialisierung und als leiblichen Akt der Aushandlung von Zugehörigkeit begreifen. Ziel des Projekts ist es, vorhandene Lücken in der wissenschaftlichen Literatur zu schließen und international sichtbar zu aktuellen, konzeptionellen Debatten über transnationale Schönheitsgeographien, Körperpolitik und Staatsbürgerschaft beizutragen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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