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Die Fortpflanzungs- und Paarungsstrategien der Fächerflügler (Insecta: Strepsiptera): neue Erkenntnisse zur Reproduktionsbiologie einer rätselhaften Insektenordnung
Antragsteller
Professor Dr. Rolf Georg Beutel; Professor Dr. Oliver Niehuis; Privatdozent Dr. Hans Pohl
Fachliche Zuordnung
Evolution, Anthropologie
Systematik und Morphologie der Tiere
Systematik und Morphologie der Tiere
Förderung
Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 436226643
Interaktionen zwischen Männchen und Weibchen während der Paarung verlaufen selten in perfekter Harmonie, und sexuelle Aggression ist im Tierreich weit verbreitet. Eine besonders ungewöhnliche und bizarre Art sexueller Aggression ist die traumatische Paarung, bei der der Genitaltrakt oder andere Körperteile des Sexualpartners verletzt werden. Traumatische Paarung ist ein weit verbreitetes und vielfältiges Phänomen und innerhalb des Tierreichs mehrfach evolviert (z. B. in Amphibien, Schnecken, Ringelwürmern, Fadenwürmern und Gliederfüßern). Traumatische Paarung kann sich in verschiedenen Varianten zeigen, so als traumatische Penetration (Verletzung des Weibchens) oder als traumatische Insemination (Injektion von Sperma durch Einstichbegattung). Traumatische Insemination tritt in verschiedenen Insektengruppen auf, insbesondere den Bettwanzen und den Fächerflüglern (Strepsiptera), die beide als Lehrbuchbeispiele für diesen Kopulationsmodus fungieren. Ob dieser Mechanismus allerdings bei Fächerflüglern generell zur Anwendung kommt, ist unklar. Tatsächlich wurde vor kurzem postuliert, dass traumatische Insemination innerhalb der Fächerflügler nur bei Arten der Familie Mengenillidae auftritt, deren Weibchen freilebend sind. Bei Fächflüglern mit permanent endoparasitischen Weibchen (Stylopidia) wird hingegen von einem Wechsel zu einer nicht-traumatischen Paarung ausgegangen. Schließlich wurde behauptet, dass Fächerflügler-Weibchen sich nur mit einem Männchen paaren (Monandrie) und dass kein koevolutionäres Wettrüsten zwischen den Geschlechtern besteht. Unser Forschungsprojekt zielt darauf ab, die Reproduktionsbiologie der wenig bekannten und eigentümlichen Fächerflügler durch einen interdisziplinären Ansatz, der ein breites Repertoire an modernen Methoden aus der vergleichenden und funktionellen Morphologie, der Molekularbiologie und der Biomechanik umfasst, detailliert zu untersuchen; denn wir halten die obigen Aussagen und Schlussfolgerungen für spekulativ und voreilig. So haben wir aufgrund eigener Vorarbeiten Grund zur Annahme, dass traumatische Insemination in allen Gruppen der Fächerflügler auftritt und dass Strepsiptera somit legitim als Lehrbuchbeispiel für Tiere mit überwiegend traumatischer Insemination genannt werden dürfen. Auch gehen wird davon aus, dass Weibchen unterschiedlicher Fächerflügler-Gruppen durchaus von mehreren Männchen befruchtet werden können (Polyandrie), und dass die Weibchen morphologische Anpassungen durch die Evolution von Toleranzmerkmalen an eine traumatische Insemination zeigen. Die Ergebnisse aus unserem Forschungsvorhaben werden daher nicht nur neue Erkenntnisse über die Reproduktionsbiologie der Strepsiptera liefern, sondern auch für Evolutionsbiologen von großem Interesse sein, die sexuellen Konflikt und Koevolution untersuchen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen