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Marginalien der Familie? Soziale und kulturelle Bedeutung von Illegitimität im hochmittelalterlichen Reich (900-1300)

Antragstellerin Dr. Clara Harder
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 437172478
 
Illegitimität ist als ‚anthropologische Konstante’ implizierter Bestandteil wesentlicher Diskurse über Familie und Verwandtschaft, Ehe und Scheidung, Eltern und Kinder, erlaubte und unerlaubte Formen der Sexualität. In der mittelalterlichen Geschichte gelten uneheliche Kinder als randständiges Phänomen, was sowohl mit ihrer relativ geringen Sichtbarkeit in den Quellen als auch mit der im Laufe des Mittelalters zunehmenden rechtlichen Diskriminierung zusammenhängt. Das Projekt verfolgt das Ziel Erscheinungsformen und Bedeutungsmöglichkeiten unehelicher Geburt im ranghohen Adel des ostfränkischen und römisch-deutschen Reichs zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert offenzulegen. In dieser Periode vollzogen sich zentrale gesellschaftliche Umbrüche in Bezug auf Ehe und Familie, die sich in sozialen Verhaltensweisen, Normen und Erzählmustern niederschlugen. Das Projekt rekonstruiert Kontinuitäten und Brüche hinsichtlich sozialer Praktiken und kultureller Wahrnehmungen von Illegitimität und weist damit über die zumeist im Fokus der Forschung stehende Frage nach der Erbfähigkeit Illegitimer hinaus. Gefragt wird nach Strategien zum Umgang mit unehelichen Kindern in Familie und Gesellschaft. Disparates und verstreutes Quellenmaterial soll erschlossen und im Rahmen einer sozial- und kulturhistorischen Analyse ausgewertet werden. Die Quellenbasis des Projekts umfasst neben Urkunden und historiographischem Material auch Auszüge aus mittelalterlicher Dichtung, Exempelsammlungen und normativen Quellen. Rechts- und verfassungsgeschichtliche Aspekte werden nicht abstrakt, sondern in der Auseinandersetzung mit konkretem Auftreten von Illegitimität diskutiert. Soziale Bindungen innerhalb adliger Familien werden exemplifiziert und als Teil gesellschaftlicher Strukturen und Dynamiken begriffen. Durch einen diachronen Vergleich können Verschiebungen in der Wahrnehmung und dem Umgang mit Illegitimität sichtbar gemacht und Rückschlüsse auf Veränderungen in den sozialen und politischen Strategien und in den kulturellen Narrativen ermöglicht werden. Methodisch geht das Projekt neue Wege durch einen systemtheoretischen Ansatz und durch die Gegenüberstellung von unehelich und ehelich geborenen Familienmitgliedern. Dadurch wird die jeweilige Familie als Ganzes in den Blick genommen und ein Vergleichs- und Bewertungsmaßstab erarbeitet, der geeignet ist, die Möglichkeiten und Grenzen der Lebensgestaltung für uneheliche Kinder abzubilden. Die sozialgeschichtlichen Befunde werden mit zeitgenössischen Mentalitäten, normativen Diskursen und kulturellen Wahrnehmungen bzw. Zuschreibungen in Beziehung gesetzt, um mehrdimensionale Deutungen des Phänomens Illegitimität im Hochmittelalter zu ermöglichen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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