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Uneinigkeit über die Geldpolitik
Antragsteller
Professor Dr. Peter Tillmann
Fachliche Zuordnung
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung
Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 437227220
Die Geldpolitik ist häufig umstritten. Die Marktteilnehmer und die Prognostiker sind uneins über zukünftige Inflationsraten und Zinssätze, aber auch die geldpolitischen Entscheidungsträger sind uneins über die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik. Gerade die Uneinigkeit der Entscheidungsträger sollte eine wichtige Determinante der Uneinigkeit der Marktteilnehmer sein. In diesem Projekt untersuchen wir die Uneinigkeit der Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) über die Geldpolitik und deren Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission. Diese Uneinigkeit sollte gerade vor dem Hintergrund unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen wie bspw. Forward Guidance relevant sein, die sich auf eine Steuerung der Erwartungen der Marktteilnehmer seitens der Zentralbank stützt. Wenn Uneinigkeit der Entscheider die Interpretation der geldpolitischen Kommunikation verzerrt, sollte die Geldpolitik eine geringere Wirkung entfalten.Wir untersuchen das Ausmaß der Uneinigkeit im EZB-Rat, dessen Prozess der Entscheidungsfindung im Unterschied zu den Gremien anderer Zentralbanken weitestgehend unbekannt ist. Angesichts der Intransparenz der EZB verwenden wir textanalytische Methoden, um aus Reden der Mitglieder bzw. den Mitschriften der monatlichen Pressekonferenzen Informationen über das Ausmaß der Uneinigkeit zu gewinnen.Wir gehen in drei Schritten vor: Im ersten Schritt nutzen wir die Informationen aus den Pressekonferenzen, um einen narrativen Index der Uneinigkeit zu konstruieren. Mit Hilfe dieses Index untersuchen wir, ob sich die Marktreaktionen an Sitzungstagen des Rates mit einstimmigen Entscheidungen bzw. abweichenden Meinungen unterscheiden. Wir werden ebenfalls untersuchen, inwiefern Dissent im EZB-Rat zu einer Ausweitung der Streuung der Prognosen der Marktteilnehmer beiträgt. In einem zweiten Schritt erweitern wir unsere bestehende Datenbank, die die Reden der Präsidenten von EZB und Bundesbank umfasst, um die Reden aller weiteren Mitglieder des EZB Rates seit 1999. Mit Hilfe eines computerlinguistischen Modells (topic model) zerlegen wir den Korpus in themenspezifische Bestandteile, sodass wir die Uneinigkeit der Mitglieder für bestimmte Themenschwerpunkte ihrer Reden ausdrücken können. In einem zeitreihenökonometrischen Modell prüfen wir, welche Facetten der Uneinigkeit besonders einflussreich auf die Preisbildung der Finanzmärkte sind. In einem dritten Schritt beleuchten wir eine Quelle der Uneinigkeiten, und zwar unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf die Stabilisierung von Inflation und realwirtschaftlicher Aktivität. In theoretischen Modellen optimaler Geldpolitik werden die Präferenzen in Form einer Verlustfunktion dargestellt. Wir schätzen die Verlustfunktion auf der Grundlage der Reden, die wir im zweiten Teilprojekt zusammengestellt haben. Der semantische Ton der Reden als abhängige Variable erlaubt uns eine direkte Schätzung der Verlustfunktion für quadratische und asymmetrischen Spezifikationen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen