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Eine sensible Welt. Das Problem der sekundären Qualitäten in und um die Brentano Schule

Antragsteller Dr. Hamid Taieb
Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 437849124
 
Das Problem der sekundären Qualitäten ist eines der faszinierendsten Probleme der Philosophie. Es entsteht aus dem Konflikt zwischen naivem und wissenschaftlichem Glauben. Unsere Wahrnehmung zeigt uns eine Welt voller Farben, Töne, usw.: eine sensible Welt. Dagegen lehrt uns die Physik, dass die Welt nur ein dunkler und stiller Haufen von Partikeln ist; Farben, Töne, usw., sind nur abgeleitete „sekundäre“ Qualitäten, blosse Erscheinungen, die aus der Wirkung von physischen „primären“ Qualitäten auf unsere Sinne entstehen. Daher das Problem: existieren Farben, Töne, usw. unabhängig von uns, und wenn nicht, inwiefern geben uns ihre Erscheinungen eine adäquate Kenntnis der Realität?Die übliche Geschichtsschreibung sieht den Ursprung dieses Problems in der frühen Neuzeit. In der zeitgenössischen Philosophie ist die Debatte aufgelebt. Aber was passierte dazwischen? Eine der konsequentesten und interessantesten Behandlungen dieses Problem wurde bisher wenig beachtet: seine Diskussion an der Wende des 20. Jh. in der österreichisch-deutschen Tradition, genauer in und um die Brentano Schule.Während das Problem der sekundären Qualitäten üblicherweise als metaphysisches und epistemologisches behandelt wird, besteht die Originalität der österreichisch-deutschen Autoren es auch als phänomenologisches zu diskutieren. Es ging diesen Autoren um eine klare Sicht auf das, was Dinge sind (Metaphysik), was wir über sie wissen (Epistemologie), und wie sie uns erscheinen (Phänomenologie). Sie entwickelten unterschiedliche phänomenologische Analysen der Empfindung, verschiedene Ansichten über die Metaphysik der sekundären Qualitäten und verschiedene Positionen über die Zuverlässigkeit der Empfindung. Ferner fragten sie sich wie Phänomenologie, Metaphysik und Epistemologie zu kombinieren wären. So findet man bei ihnen detaillierte Überlegungen zum Primat und zur Interaktion dieser drei wichtigen philosophischen Disziplinen. Dieses Projekt wird die österreichische-deutsche Debatte entsprechend der drei Achsen von Phänomenologie, Metaphysik und Epistemologie rekonstruieren. Methodisch wird das Projekt eine sogenannte „Netzwerk-Geschichte der Philosophie“ entwickeln. Es wird sich nicht auf „grosse Namen“ konzentriert, sondern es wird eine Reihe von Autoren studiert. Ausgehend von ganz spezifischen Problemen werden die verschiedenen Lösungen rekonstruiert, die die Mitglieder einer Tradition vorgeschlagen haben. Dabei wird sich zeigen, dass das Problem der sekundären Qualitäten nicht nur bei berühmten Figuren wie Brentano und Husserl eine interessante Diskussion gefunden hat, sondern, dass es auch weniger bekannte Helden in dieser Geschichte gibt – H. Conrad-Martius, M. Geiger, F. Heinemann, A. Höfler, E. Landmann-Kalischer, H. Leyendecker, P. Linke, E. Mally, A. Marty, A. Oelzelt-Newin, A. Pfänder, W. Schapp, E. Stein, S. Witasek. Damit wird ein Beitrag zu einem aktuellen, breiteren Forschungsprogramm geleistet, nämlich der Neuschreibung des Kanons der Philosophie.
DFG-Verfahren Emmy Noether-Nachwuchsgruppen
 
 

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