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Tödliche Polizeigewalt in Demokratien: die Philippinen und Brasilien

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 439281758
 
Die Forschung zum Zusammenhang von Regimetyp und Repression legt nahe, dass Demokratien im Inneren weniger Gewalt anwenden als andere Systeme. Das gilt nur eingeschränkt für tödliche Gewalt durch die Polizei. Hier zählen Demokratien zu den Spitzenreitern: von den USA aus dem Club der konsolidierten Demokratien des Nordens über die Philippinen, Südafrika, Brasilien und Jamaika als mehr oder weniger konsolidierten Demokratien des Südens. Dieses Projekt analysiert Muster und politische Bedingungsfaktoren hoher Polizeigewalt in den Philippinen und Brasilien. Beide Länder weisen neben einem allgemein hohen Niveau von Polizeigewalt markante subnationale Unterschiede sowie gewichtige Veränderungen über Zeit auf. 2016 bzw. 2019 kamen populistische Präsidenten an die Macht, die explizit der Tötung von Verdächtigen durch die Polizei das Wort reden. Diese Konstellation ermöglicht einen differenzierten synchronen und diachronen Vergleich auf mehreren Ebenen. In Anlehnung an Ergebnisse kriminologischer Forschung zur straforientierten kriminalpolitischen Wende (punitive turn) fragt das Projekt danach, inwieweit polizeiliche Tötungsraten auf den kriminalpolitischen Populismus politischer Eliten (penal populism) und das Strafinteresse der Wählerschaft (popular punitivism) zurückgeführt werden können. Wirkmächtig kann ein derartiger Populismus der harten Hand nur sein, wenn Politikern entsprechende Einflussmöglichkeiten auf die Polizei zur Verfügung stehen. Der Populismus politischer Eliten wiederum sollte in Demokratien mit direkten Wahlen der Amtsinhaber auf allen Ebenen am stärksten ausgeprägt sein. Die Analyse folgt einem mixed method Design. Auf der Basis eigens erstellter Datensätze, die das Ausmaß tödlicher Polizeigewalt in Brasilien (2010-2020) und den Philippinen (2007-2020) subnational differenziert erfassen, lassen sich über ein mapping der sich verändernden Gewaltmuster für beide Länder zentrale neue Erkenntnisse über räumliche und zeitliche Dynamiken gewinnen. Eine quantitative Analyse erlaubt es erstmalig für derartige Länder, die Bedeutung struktureller Faktoren wie Kriminalitätsbelastung, Ungleichheit und Urbanisierung systematisch abzuschätzen. Qualitative Analysen (inkl. Feldforschung) zu ausgewählten Regionen dienen der Überprüfung des vermuteten Kausalzusammenhangs und erweitern unser Wissen über die lokalen Dynamiken, die tödliche polizeiliche Gewaltanwendung befördern, aber auch minimieren können. Damit schafft das Projekt einen theoretischen und methodischen Rahmen für einen breiteren Blick auf die Auswirkungen einer demokratischen Politisierung der Inneren Sicherheit auf die Gewalthaltigkeit polizeilicher Praxis. Es liefert eine erste vertiefte Untersuchung der Anfälligkeit spezifischer Varianten demokratischer Ordnung für kriminalpolitischen Populismus. Schließlich etabliert es umfangreiche Datensätze, die als Bausteine einer umfassenden komparativen Forschungsagenda zur „demokratischen Praxis“ tödlicher Gewaltanwendung dienen können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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