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‘You play exactly as if you came from America.’ Transatlantische Beziehungen und anti-amerikanische Vorbehalte im Musikleben des Deutschen Kaiserreichs und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1880-1915
Antragstellerin
Professorin Dr. Christiane Tewinkel
Fachliche Zuordnung
Musikwissenschaften
Förderung
Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 441570120
Anti-amerikanische Vorbehalte waren im deutschsprachigen Musikleben um 1900 weit verbreitet. Während der Terminus ‚Amerikanisierung‘ die vermeintliche Kommerzialisierung des gesamten Musiklebens anprangerte, wurden anti-amerikanische Vorbehalte auch in der künstlerischen Praxis selbst laut. Amerikanischen Pianistinnen und Pianisten warf man technische Unzulänglichkeit oder rein mechanisches Spiel vor, mangelnde Tiefe und fehlende Liebe zur Musik, überdies unterstellte man ihnen unziemliche ökonomische Interessen. Ziel des Projektes ist es, die amerikanischen grand tours in deutschsprachige Lande zwischen 1880 und 1915 zu beleuchten, die transatlantischen Netzwerke sichtbar zu machen, in deren Zentrum Lehrerpersönlichkeiten wie Franz Liszt (Weimar) und Theodor Leschetizky (Wien) standen, und auf dieser Grundlage Schlaglichter auf den musikbezogenen Diskurs im deutschsprachigen Raum zu werfen, in dem anti-amerikanische Vorbehalte zur Sprache kamen. Damit verschränkt das Vorhaben Perspektiven der Musikwissenschaft mit solchen der Geschichtswissenschaft, der Sprachwissenschaft und der Amerikanistik.Die zeitliche Rahmung ergibt sich aus der reichen Quellenlage zu den Klaviernachmittagen bei Liszt in den 1880er Jahren, andererseits durch das Todesjahr Leschetizkys 1915, in dem seine Lebensleistung als international angesehener Klavierpädagoge noch einmal in zahllosen Nachrufen zur Sprache kam. In Berlin, seinerseits attraktives Ziel für Musikschaffende aus den USA, waren beide Lehrerpersönlichkeiten nicht nur aufgrund ihres kompositorischen und pianistischen Wirkens bekannt, sondern auch durch Schülerinnen und Schüler präsent, wie auch die amerikanische Zeitschrift Musical Courier dort ein Redaktionsbüro unterhielt und auf wöchentlich erscheinenden Berlin-Seiten über das Musikleben in der Hauptstadt berichtete. Anhand solcher Texte und unter Hinzuziehung von Kritiken, Unterrichtsprotokollen, biographischer Literatur sowie weiterer Quellen soll erstens untersucht werden, wie sich die grand tours der jungen Amerikanerinnen und Amerikaner im Detail gestalteten und wie, zweitens, der deutschsprachige Diskurs über ‚die Amerikaner‘ bzw. ‚das Amerikanische‘ in Berlin, Weimar und Wien verlief: Welcher Art waren die anti-amerikanischen Vorbehalte? Welche Funktion übernahm die Abwertung amerikanischer Pianistinnen und Pianisten in Bezug auf zeitgenössische deutschsprachige Debatten über Virtuosität und Innerlichkeit, das Konzept einer autonomen Musik, die Wirtschaftlichkeit musikalischer Aufführungen oder verschiedene Arten des hörenden Umgangs mit Musik?
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen