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Volksvertretung durch die Kamera und parlamentarische Kulturen – Parlamente und Fernsehen in Frankreich und Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren
Antragsteller
Professor Dr. Christoph Cornelißen
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2020 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 444991108
Das Projekt zielt auf einen Vergleich der Fernsehberichterstattung über die Parlamente in Frankreich und in der Bundesrepublik in den 1960er und 1970er Jahren ab. Im Zentrum stehen Fragen nach der neuartigen audiovisuellen Präsentation und Inszenierung von Assemblée nationale und Bundestag im neuen nationalen Leitmedium, nach den institutionellen und personellen „Beziehungsgeschichten“ zwischen Parlament und Fernsehsendern sowie danach, wie hierdurch parlamentarische Debatten ein fester Bestandteil des sich entwickelnden politischen Fernsehens wurden. In der „era of scarcity“ mit nur ein bis zwei Sendern wurde ein versammeltes nationales Publikum durch televisuelle Darstellungen mit parlamentarischen Reden und Debatten vertraut ge-macht, vor allem im Rahmen von Regierungserklärungen oder Haushaltsdebatten, aber auch durch Sonderübertragungen, wie anlässlich des „Mai 1968“ in Frankreich oder der Ostverträge in der Bundesrepublik. Wie die Vorarbeiten gezeigt haben, stehen diese Länder aber auch für zwei deutlich kontrastierende Varianten, in denen sich das Hinzutreten des Fernsehens zum etablierten Medienensemble von Presse und Radio, das über die Parlamente berichtete, vollzog. Gestützt auf Schrift- sowie insbesondere audiovisuelle Quellen sollen, erstens, ausgewählte Fälle parlamentarischer Fernsehpräsenz ab Mitte der 1960er Jahre als neue Form der parlamentarischen Kommunikation analysiert werden (Sequenzanalyse von Aufnahmen, Inszenierung und Performanz von Abgeordneten und Fernsehjournalisten). Zweitens soll das parallel entstehende Beziehungsgeflecht zwischen den Parlamenten und Fernsehsendern herausgearbeitet und in Bezug auf die politischen Kulturen und Mediensysteme differenziert werden. Drittens wird den erwähnten ausgewählten Höhepunkten die kontinuierliche Fernseh-Parlamentsberichterstattung an die Seite gestellt und beides im Kontext des (politischen) Fernsehens der 1960er und 1970er Jahre gewichtet, um Konjunkturen und Muster des Parlaments in der neuartigen „culture de masse visuelle“ herauszuarbeiten. Der Antragsteller verspricht sich von der internationalen Kontrastierung des frühen Parlamentsfernsehens wichtige Einblicke in die Entwicklungszusammenhänge der politischen Kulturen und des Medienwandels in Frankreich und Westdeutschland. Der deutsch-französische Fall mit seinen abweichenden Formen des Regierungs- und Mediensystems erlaubt eine Überprüfung des Paradigmas der „Medialisierung“ der Politik westlicher Demokratien – zumal anhand der beiden Schwergewichte und späteren essentiellen Kooperationspartner der inneren Europapolitik der Nachkriegszeit. Indem das Projekt die strukturelle Problematik der Kommunikation des Parlaments mit dem Souverän über das neue Leitmedium der Nachkriegszeit in den Mittelpunkt stellt, zielt es auf eine unkonventionelle Gegenüberstellung des couple franco-allemand und eine Differenzierung von dessen politischer „Verflechtungsgeschichte“.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich
Kooperationspartner
Professor Dr. Christian Delporte