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Neuronale Mechanismen der angeborenen Prosopagnosie

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 447320582
 
Die angeborene Prosopagnosie (developmental prosopagnosia, DP) ist eine lebenslange, sozial einschränkende Störung, bei der die Fähigkeit beeinträchtigt ist, Personen anhand ihres Gesichts zu erkennen. Die neuronalen Mechanismen der DP werden zurzeit kontrovers diskutiert. Es gibt im Wesentlichen zwei sich widersprechende Theorien. Die eine Theorie geht davon aus, dass DP durch eine Dysfunktion der gesichtssensitiven okzipitotemporalen Areale (d.h. occipital face area, OFA und fusiform face area, FFA) verursacht wird. OFA/FFA unterstützen normalerweise die Wahrnehmung und Integration von Gesichtsmerkmalen. Die andere Theorie postuliert, dass DP durch eine atypische Verbindung zwischen den (normal funktionierenden) OFA/FFA und einem erweiterten System von Hirnregionen zustande kommt. Dies erweitere System schließt die anterior temporal lobe face area (aTL-FA) mit ein. Es wird vermutet, dass die aTL-FA für abstraktere Berechnungen während der Gesichtsidentitätserkennung wichtig ist. Wir gehen davon aus, dass der Widerspruch zwischen den beiden Theorien durch zwei Schwächen früherer Studien mit bedingt ist: Erstens, fehlte in neurowissenschaftlichen Studien bisher eine genaue Charakterisierung der Verhaltensmuster der untersuchten DP-Fälle. Zweitens, wurden funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)-Sequenzen genutzt, die für die aTL-FA suboptimal sind. Wir planen (i) DP-Fälle sorgfältig mit Verhaltenstests zu charakterisieren, die die hierarchische Natur der Gesichtsidentitätsverarbeitung widerspiegeln; (ii) eine fMRT-Sequenz zu verwenden, die wir vor Kurzem für die robuste Bildgebung der aTL-FA und OFA/FFA entwickelt haben und (iii) umfassende funktionelle und strukturelle (d.h. diffusionsgewichtete) Bildgebungs-Paradigmen zu nutzen, um die neuronale Architektur von gesichtssensitiven Hirnregionen in DP-Fällen und paarweise angepassten Kontrollen systematisch zu untersuchen. Basierend auf aktuellen Verhaltensberichten erwarten wir, dass es zwei Subtypen der DP gibt: ein Defizit in der Wahrnehmung der Gesichtsidentität (apperzeptive DP) und ein Defizit in der Erkennung der Gesichtsidentität mit intakter Gesichtsidentitätswahrnehmung (assoziative DP). Wir gehen davon aus, dass sich die dysfunktionalen neuronalen Systeme je nach Verhaltensphänotyp unterscheiden: atypische Rekrutierung der OFA/FFA in der apperzeptiven DP; atypische Rekrutierung der aTL-FA und/oder atypische strukturelle Konnektivität zu dieser Region in der assoziativen DP. Solche Ergebnisse würden den Widerspruch zwischen den beiden Theorien über die neuronale Basis der DP auflösen: Sie würden zeigen, dass beide Theorien in Abhängigkeit vom Verhaltensphänotyp korrekt sind. Durch die umfangreichen Experimente und die neue Bildgebungssequenz, können die Studien zusätzlich auch wichtige Fortschritte in unserem Verständnis darüber liefern, wie die Verarbeitung von Gesichtsidentität im typisch entwickelten menschlichen Gehirn implementiert ist.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich(e) Dr. Corrina Maguinness
 
 

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