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Revival einer Konfliktlinie? Parteienwettbewerb über Religion und Säkularismus in Westeuropa in Zeiten religiöser Pluralisierung
Antragsteller
Professor Dr. Matthias Kortmann
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 452185237
Angesicht von voranschreitenden Säkularisierungsprozessen gingen Politikwissenschaftler bis in die jüngere Vergangenheit davon aus, dass Religion für politische Prozesse in Westeuropa an Relevanz verlieren und die religiös-säkulare Konfliktlinie im Parteienwettbewerb langfristig verschwinden werde. Aktuelle Parteienkonflikte implizieren jedoch, dass sich die Frage einer öffentlichen und politischen Rolle von (organisierter) Religion erneut zu einem umstrittenen Thema zwischen Parteien entwickelt hat. Dies kann vor allem auf die zunehmende religiöse Pluralisierung zurückgeführt werden bzw., konkreter, die Etablierung muslimischer Gemeinschaften und die Sichtbarkeit ihrer Religion in Gesellschaften, die sich als christlich und/oder säkular definieren. Somit berührt diese neue Debatte nicht nur die Frage der Legitimität von Religion im öffentlichen und politischen Sektor. Die sichtbare Anwesenheit der ‚neuen‘ Religion des Islam hat auch parteipolitische Diskurse ausgelöst, die sich um die fundamentale Frage nationaler kultureller Identität drehen. Dabei fühlen sich sowohl Parteien, die sich als Vertreterinnen eines ‚christlichen‘ Weltbildes sehen, also auch ihre ‚säkularistischen‘ Gegenspielerinnen dazu veranlasst, sich (neu) zu positionieren.Dieses Forschungsprojekt analysiert den Konflikt zwischen Religion und Säkularismus im westeuropäischen Parteienwettbewerb seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts vor dem Hintergrund von religiöser Pluralisierung. Die zentrale Frage ist, inwieweit Akteurskonstellationen entlang der religiös-säkularen Konfliktlinie in dieser Periode durch Kontinuität oder Wandel geprägt waren. Der Fokus liegt einerseits auf Parteienkonflikten, die sich auf die Legitimität einer öffentlichen und politischen Rolle von Religion(en) beziehen. Andererseits untersucht das Projekt, inwiefern diese Konflikte ebenso (Neu)Verhandlungen über nationale kulturelle Identitäten bzw. über die Rolle von Religion und Säkularität als Identitätsmarker beinhalten. Das Projekt greift sowohl auf quantitative als auch qualitative Methodologie zurück. Zunächst wird untersucht, wie sich die Anzahl der Bezugnahmen auf diese Themen im Parteienwettbewerb im Verlauf des Untersuchungszeitraums entwickelt hat. Weiterhin wird analysiert, welche konkreten Positionen (Mitglieder von) Parteien im Zeitverlauf vertreten haben. Schließlich wählt das Projekt einen vergleichenden Ansatz, indem betrachtet wird, wie sich der Parteienwettbewerb über ‚Religion und Säkularismus‘ in Deutschland, den Niederlanden, Schweden und dem Vereinigten Königreich, also in Ländern mit divergenten relevanten Kontextfaktoren, unterscheidet. Während jedes dieser Länder in den letzten 20 Jahren mit zunehmender religiöser Pluralisierung konfrontiert war, ist der Prozess der Säkularisierung jeweils unterschiedlich weit vorangeschritten. Darüber hinaus unterscheiden sich die vier Länder in Bezug auf die traditionelle Rolle der religiös-säkularen Konfliktlinie sowie die Bedeutung von rechtspopulistischen Parteien in den Parteiensystemen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen