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Erweiterte Kognition. Zum diagrammatischen Zeichen als verkörpertes Denkding
Antragsteller
Dr. Daniel Irrgang
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung von 2020 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 454773373
Die Studie ist motiviert durch ein Faszinosum diagrammatischer Darstellungen: Wie ein Interface zu den Komplexitäten des Intelligiblen stellen sie eine Flächigkeit optischer Konsistenz her, durch die diese Komplexitäten sinnlich erfahrbar und als Angebot logischer Manipulation experimentell zugänglich werden. Doch was sind die Bedingungen der Möglichkeit dieser Kopplung von Sinnlichkeit und Verstand, die sich in der operativen Ikonizität diagrammatischer Zeichen zeigt? Die Studie stellt die These auf, dass nicht so sehr Bildlichkeit und Visualisierung von Struktur, sondern die Räumlichkeit des Leibes bzw. dessen Sensomotorik, als Sinngebung der Umwelt, in diagrammatischen Darstellungen am Werk sind: Projiziert auf eine zweidimensionale Fläche erscheinen räumliche Kategorien etwa wie innen/ außen, oben/unten, links/rechts usw. als grundlegende Funktionen diagrammatischer Darstellungen. Sie gewähren intuitiven Überblick und bieten die Grundlage für die Operationsweise diagrammatischer Zeichen. Solch eine Erweiterung des Diagrammatologie-Diskurses macht ihn anschlussfähig an kognitionswissenschaftliche Positionen, unter anderem an die kognitive Semantik oder die aktuelle Debatte um die Möglichkeit eines Embodied, Enacted bzw. Extended Mind. Die Erweiterung bedarf allerdings auch einer kritischen Komponente, um eine reduktionistische Be schränkung dieser Arbeit auf Effizienz und Effektivität diagrammatischer Zeichen zu vermeiden. Aus diesem Grund stellt die Arbeit auch Verbindungen zu Positionen aus der Wissenschaftsforschung (STS) her, die sich schon lange mit der spezifischen Funktion von Darstellungen als nicht-triviale "Wissensdinge" auseinandersetzen und dabei auch die kulturelle Befangenheit solcher Darstellungen berücksichtigen: Selbst scheinbar formale diagrammatischen Darstellungen bilden nicht lediglich Phänomene ab, sondern stellen sie dar, auf eine bestimmte Art und Weise, die beeinflusst ist von kulturellen Konventionen und technischen Variablen. Diese kritische Perspektive auf einen "Visualismus in den Wissenschaften" (Don Ihde) – die Notwendigkeit, Phänomene in die Domäne des Sichtbaren zu übertragen – fordert ein erweitertes Konzept von Hermeneutik, das insbesondere in der Diagrammatologie eine wichtige Rolle spielen kann. Der dritte Teil dieser Arbeit wendet ein starkes Konzept von Diagrammatik, das auf den vorangegangenen Erweiterungen beruht, auf einen besonderen Fall diagrammatischer Theorie und Praxis an: Vilém Flussers Begriff des "technischen Bildes", der in Verbindung steht, so zumindest eine meiner Thesen, mit dessen eigenen diagrammatischen Skizzenpraxis. Mit der Überprüfung des zuvor entwickelten Diagrammatikbegriffs anhand dieses Fallbeispiels wird zugleich eine noch nicht erforschte Dimension in Flussers Werk aufgeschlossen.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
